Richard Gere im TV-Interview: "Ich bin nie wirklich berühmt gewesen"

KÖLN. Richard Gere ist einer der beständigsten Kassenmagneten in Hollywood. Dem frühen Ruhm als Sexsymbol ("Ein Mann für gewisse Stunden") begegnete er mit politischem Engagement sowie Interesse am Buddhismus. Der Welterfolg von "Pretty Woman" festigte Geres Image als romantischer Held. Der Golden Globe für seinen Auftritt in "Chicago" war für den 52-Jährigen der erste große Filmpreis in 25 Jahren Filmkarriere.

Als Sie den Golden Globe bekamen, hat man Ihnen dieFreude wirklich angesehen. Um einen Preis zu bekommen, hätten Sievielleicht schon früher einmal tanzen und singen sollen. Gere: Ja, oder blind oder fett werden. Gut wäre auch ein Nervenkranker gewesen. Was auch immer der Grund war, diese Rolle schien ein sicheres Argument, mir einen Preis zu verleihen.

Hat es Sie jemals beschäftigt, dass Ihre Rollen nicht gerade der Speck sind, mit dem man Kritikermäuse fängt?

Gere: Wieso, ich hatte doch eine fabelhafte Karriere. Da ist nichts, wofür ich mich grämen müsste. Wenn man mit dem Tagwerk zufrieden sein kann, weil man seine Arbeit gut gemacht hat, das reicht mir vollkommen. Alles darüber hinaus macht auch Spaß, klar. Aber es ist nicht wirklich wichtig.

Sie wollten zunächst nicht in "Chicago" mitwirken. Warum?

Gere: Meine ersten Bedenken gingen gegen das Projekt an sich. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man die Bühnenvorlage auf die Leinwand übertragen wollte. Aber dann hatte Rob Marshall die Idee, dass man die Musik auch im Film auf einer Bühne belassen und um sie herum eine Geschichte erfinden, einen Zusammenhang schaffen sollte. Und so kam es, dass die Musiknummern ausschließlich in Roxies Kopf statt finden. Diese Idee brachte überhaupt erst Sinn in eine Verfilmung von "Chicago".

Was hat Ihnen an "Chicago" das größte Vergnügen bereitet?

Gere: Die Musical-Nummern haben schon viel Spaß gemacht. Wann hat man schon Gelegenheit dazu? Es war eine erfrischende Abwechslung, und für mich umso mehr, weil ich sehr unterschiedliche Nummern zu bestreiten hatte.

Und keine Angst vor Singen und Tanzen?

Gere: Nein, damit habe ich keine Probleme. Ich musste ein paar Grundschritte lernen, wie jeder Anfänger. Es waren ja nur ein paar Monate Zeit. Also fängt man an und kniet sich rein.

Billy Flynn inszeniert sich als Star. Wie wichtig ist Ihnen öffentlicher Ruhm?

Gere: Das kommt drauf an. Ich kenne zumindest keinen, der allein des Ruhmes wegen künstlerisch tätig ist. Man bringt sich ein, weil man Freude an der Arbeit hat und sich gut fühlt dabei. Nun gut, Girls und Geld waren auch ein Kriterium für mich. Aber man darf sich nichts vormachen, ich bin nie wirklich berühmt gewesen. Ruhm kommt mit der Zeit, und man selbst hat den geringsten Einfluss darauf.

Mit "Ein Mann für gewisse Stunden" prägten Sie einen nunmehr klassischen Typus des modernen männlichen Sexappeals. Wie weit waren Sie sich damals dessen bewusst?

Gere: Gar nicht, es gab da keinen Plan, eine Ikone zu schaffen. Für mich war das eine schillernde Figur, die aber mit meinen eigenen Le-benserfahrungen rein gar nichts zu tun hatte. Ich war ja noch recht jung und naiv damals und gestaltete die Rolle ganz aus meiner Vorstellungskraft heraus. Es war eine gewisse attraktive Wirkung kalkuliert, schon vom Drehbuch her. Aber die eigentliche Ikonisierung kam später und vor allem aus Europa, wo man Parallelen zu Alain Delon zog.

Hatten Sie je das Bedürfnis, sich gegen das Image des Mannes mit dem größten Sexappeal zu stemmen?

Gere: Wozu? Ich habe es nicht bewusst ins Leben gerufen, ich sehe auch keinen Grund, mich tiefer damit zu beschäftigen. Es ist kein Problem für mich. Ehrlich, es sind nur Filmrollen. Die haben keinen Belang für mich als Privatperson.

Haben Sie Ratschläge für junge Schauspielkollegen?

Gere: Eigentlich nicht. Als ich vor 34 Jahren anfing, da haben sich die älteren Kollegen auch schon dar- über beschwert, dass die Jungspunde längst nicht so gut ausgebildet wären. Und wenn ich mich jetzt so umschaue, dann haben die Jungen natürlich auch nicht die gute Ausbildung, die ich damals hatte. Ich war zehn Jahre am Theater mit Wandergruppen, Broadway und Off-Broadway. Zehn Jahre habe ich geackert, bevor ich meine erste Filmrolle spielte. Derzeit sehe ich kein Nachwuchstalent, das ähnliche Erfahrung vorweisen könnte.

Welche Position nehmen Sie im Blick auf die Politik der amerikanischen Regierung ein?

Gere:Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass die Gemeinschaft der Künstler, ganz gleich ob in Hollywood oder hier in Deutschland, gegen Gewalt und Krieg ist. Was uns Amerikaner betrifft, so sind wir wohl alle recht befremdet über die Besessenheit, mit der unser Präsident einen Krieg gegen Saddam Hussein anstrebt. Die Notwendigkeit dafür kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Deshalb bin ich dankbar, dass Deutschland, Frankreich und bedingt Russland und sogar die Chinesen, denen ich eher vorsichtig begegne, im Sicherheitsrat der UN um eine bedächtige Auseinandersetzung ringen. Diese Vorsicht halte ich derzeit für das Wichtigste überhaupt.

* Die Fragen stellte unser Mitarbeiter Uwe Mies.

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