Rock am Ring am Scheideweg - schon wieder

Mendig · Es klang alles so gut: Trotz Unwetter und Kinderkrankheiten war die restlos ausverkaufte erste Auflage des Rock-am-Ring-Festivals in Mendig im Juni ein echter Hit. Rund 90 000 Fans feierten bei dem von Marek und André Lieberberg veranstalteten Festival mit den Weltstars der Rockmusik. Doch nun gibt es ganz neue Töne – offenbar knüpfen die Macher die Zukunft von Rock am Ring an neue Bedingungen.

Jubel, Trubel, Heiterkeit: Das war die Stimmung nach dem ersten Rock am Ring in Mendig. Veranstalterlegende Marek Lieberberg lobte das "Feld der Träume" über den grünen Klee, sein Sohn André hoffte, dass das Gelände und die musikalische Inszenierung "den Besuchern in den nächsten 30 Jahren so viel Spaß machen wie uns". Jetzt folgt die Ernüchterung, denn nach 30 Jahren Rock am Ring verlassen der Erfinder und sein Programmplaner die Brücke - und alle Beteiligten tun so, als sei dies die natürlichste Sache der Welt. Und als könne dies den Erfolg von Rock am Ring auf keinen Fall gefährden.

Rock am Ring ohne Lieberbergs?

Am Montag war die Meldung als Wirtschaftsnachricht in die Welt gesetzt worden: Marek Lieberberg und sein Sohn André verlassen Anfang kommenden Jahres ihre Marek Lieberberg Konzertagentur (MLK), um zum Konkurrenten Live Nation zu wechseln. Aber: MLK soll weiterhin Rock am Ring in Mendig und das Schwesterfestival Rock im Park in Nürnberg veranstalten. Nun ja, auch die Marke Jil Sander verkaufte nach Weggang der Gründerin und Namensstifterin noch Mode und Parfums. Und: Selbst Rock am Ring funktionierte sogar ohne Ring. Nachdem sich MLK und die Betreiber des Nürburgrings vor dem 30. Jahrgang des Festivals über Gewinnanteile zerstritten hatten, war Rock am Ring nach Mendig gezogen - das geplante Nachfolgefestival Grüne Hölle endete im Fiasko, wurde abgesagt, die Konzerte in die Schalke-Arena in Gelsenkirchen verlegt.

Aber kann es ein Rock am Ring ohne die Lieberbergs geben? Im Streit zwischen Rock am Ring und Grüner Hölle hatte das erfolgreiche Vater-Sohn-Gespann alles getan, um das ins Reich der Fantasie zu verweisen: Man konnte meinen, die Bands kämen auch und vor allem ihretwegen. Nicht nur die Toten Hosen gaben Solidaritätsadressen in Richtung MLK ab - und für einen Moment glaubte man, es ginge in dem Geschäft der Zigmillionen nicht nur um den schnöden Mammon, sondern auch noch um ein bisschen Lagerfeuer-Romantik.

Das kann man sich wohl abschminken - denn mit den spärlichen Informationen, die MLK an die Presse gibt, kommen Zweifel auf, ob es Rock am Ring - zumindest in Mendig - überhaupt weiterhin geben wird. So heißt es in einer Pressemitteilung der MLK vom Mittwoch zwar: "Marek und André Lieberberg arbeiten im Einvernehmen mit Klaus Peter Schulenberg, Vorstandsvorsitzender Eventim, bereits mit Nachdruck an Rock am Ring 2016." Doch dann folgen zwei Sätze, die Eifeler Festivalträume zum Platzen bringen könnten: "Voraussetzung für die erwartete Fortsetzung des Festivals auf dem Flugplatz Mendig ist nach deren gemeinsamer Auffassung, dass die Auflagen wirtschaftlich vertretbar sind und durch Konversionsmaßnahmen erhebliche Erleichterungen für die zukünftige Durchführung erreicht werden. Der Vorverkauf für Rock am Ring 2016 ist unter diesen Prämissen für September 2015 geplant."

Die Pistole auf die Brust gesetzt

Damit setzt die Marek Lieberberg Konzertagentur im Endeffekt dem Land die Pistole auf die Brust: Her mit verbesserter Infrastruktur, runter mit unseren Kosten - und das alles in wenigen Wochen. Zwar hatte Marek Lieberberg nach Ende des Festivals einen Verlust mitgeteilt - und diesen unter anderem darauf zurückgeführt, dass allein die Wasserversorgung auf dem Flugplatzgelände Millionenkosten verursacht habe. Dass das nächste Rock am Ring aber nur unter Voraussetzungen stattfinden kann, ist neu und dürfte auch für die Verantwortlichen vor Ort eine Überraschung sein: Die Verbandsgemeinde Mendig zeigt sich tiefenentspannt und verweist für das Thema Konversion - also die Umgestaltung ehemals militärisch genutzter Areale - aufs Land.

Selbst wenn jetzt in Mainz alle Turbomotoren angeschmissen würden, um den Mendiger Flugplatz mit nötiger Infrastruktur zu versorgen: Reichen die in aller Schnelle möglichen Zusagen aus, um in den kommenden Wochen erste Künstlerverträge zu unterschreiben und im September in den Vorverkauf zu gehen? Und, aus Sicht des Landes: Wie Erfolg versprechend ist die Investition in ein zunächst auf vier weitere Jahre angelegtes Festival, wenn die charismatischen Führungspersönlichkeiten von Anfang 2016 nicht mehr dabei sein werden? Und das ist noch nicht alles: Die beiden Lieberbergs, die Rock am Ring angeblich derzeit mit Nachdruck planen, werden, wie es aussieht, ab 2016 zu den größten Konkurrenten des Festivals ihrer einstigen Agentur zählen.

Da alle Beteiligten sich nicht dazu äußern, bleibt derzeit nur die Spekulation. Erste Stufe mit rosaroter Brille: Das Land gibt MLK grünes Licht und stellt rasche Investitionen für das Gelände in Aussicht. Die beiden Lieberbergs buchen ein letztes tolles Band-Aufgebot für Rock am Ring 2016, danach steht das Festival einer ungewissen Zukunft gegenüber.

Szenario Nummer zwei: MLK macht sich mit den jetzt überraschend geäußerten Bedingungen eine gewaltige Hintertür auf, um sich rasch von Rock am Ring in Mendig zurückzuziehen, das damit sang- und klanglos eingeht - die politische Opposition in Mainz versucht, dies der Regierung als Schwarzen Peter zuzuschieben.

Geht es noch abseitiger? Gern: Immerhin traf sich Marek Lieberberg mit Vertretern der neuen Nürburgring Holding zum "gegenseitigen persönlichen Kennenlernen". Ring-Geschäftsführer Carsten Schumacher räumte ein: "Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, den Vertrag mit Lieberberg nicht zu verlängern." Wer weiß, wo das beste Geschäft die Musik und ihre Agenten noch überall hintreibt.