roman_2705_21

21.Während sich Sven den Spiegel ein weiteres Mal anschaute, den Kopf schüttelte und danach Fahrertür und Radkasten nach Auffälligkeiten absuchte, hauchte Kathi: “Ich will einen neuen Spiegel.„“Ich möchte zu Frau Dubke, Klara Dubke.„ Gerhard Faust stand an der Pforte des St. Joseph-Krankenhauses in Prüm.

Seine Augen waren noch klein und wässrig, als wäre er vor wenigen Minuten erst aufgestanden; dabei hatte er von zu Hause aus schon eine halbe Stunde Fahrzeit hinter sich. Doch die Nacht war lang gewesen. Als er am Vorabend nach der Unfallaufnahme zurück aufs Revier gekommen war, hatten sich die Ereignisse dort überschlagen. Zusammen mit Erwin Roth mussten noch seitenweise Berichte geschrieben und Presseanfragen beantwortet werden. Der Arzt, der Blutproben von den Getöteten nehmen sollte, war in der Leichenhalle zusammengebrochen. Ein jüngerer Kollege hatte, während Faust mit der Staatsanwaltschaft telefonierte, mit zwei riesigen Plastiksäcken im Türrahmen gestanden und in den Raum geblökt: “Wohin mit den Klamotten von den Campern?„, woraufhin Faust ihm zuerst einen Vogel gezeigt und ihn dann mit gestrecktem Mittelfinger hinauskomplimentiert hatte. Selbst Roth war am Ende so genervt gewesen, dass er seinen erst zur Hälfte aufgegessenen Döner in die schmierige Folie zurückgequetscht und in hohem Bogen in den Papierkorb geworfen hatte. Um Mitternacht war Faust nach Hause gefahren, wo er sich sofort ins Bett gelegt - und keine Minute geschlafen hatte.“Zimmer 211„, sagte die rothaarige Verwaltungsangestellte an der Krankenhaus-Pforte, die Faust ängstlich ansprach:“Das ist die Frau von dem Unfall bei Neuendorf gestern, nicht wahr?„“Ja, das ist sie„, antwortete Faust, bevor er ohne eine Miene zu verziehen mit kurzen, schnellen Schritten zum Aufzug eilte. Klara Dubke lag wach. Sie befand sich allein in dem Zimmer, dessen Decke sie schon seit Stunden anstarrte. Ihr Blick ging vorbei an all den Schläuchen, durch die Schmerzmittel und Ringer-Lösung gleichgültig tröpfelten. Vorsichtig näherte sich der Kommissar dem Bett. “Guten Tag, Frau Dubke. Ich bin Gerhard Faust von der Polizei in Prüm. Es tut mir sehr leid. Aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Sie können uns sicher helfen„, murmelte er. “Setzen Sie sich, Herr Kommissar„, antwortete Klara Dubke mit erstaunlich fester Stimme und zeigte auf den Stuhl am Fenster. “Sie können auch gerne etwas lauter reden. Ich höre ja so schlecht„, fuhr sie in einem Atemzug fort. Faust schnappte sich den Stuhl, den er mit einer Hand an der Lehne lautlos vor Klaras Bett abstellte. “Frau Dubke. Ich kann es leider nicht ändern, aber ich muss Sie zum Unfallhergang befragen. Sehen Sie sich dazu in der Lage?„“Herr Kommissar. Wir wollten in den Urlaub. Nach Frankreich. Seit Monaten haben wir uns darauf gefreut. Wir haben jeden Groschen ins Sparschwein geschmissen. Und im Auto hatten wir bis zu dem Unfall noch so tolle Stimmung. Mein Man hat sogar gesungen und geflötet„, schluchzte Klara Dubke und schüttelte verzweifelt den Kopf. Faust schaute Klara in die Augen und nickte verständnisvoll. Vom Nachttisch nahm er ein Papiertaschentuch und drückte es Klara in die Hand. Er wartete, bis sie sich geschnäuzt und die Tränen abgewischt hatte. “Wie haben Sie den Unfall denn erlebt, Frau Dubke?„ “Ich weiß noch ganz genau, dat uns ein Porsche überholt hat. Dat muss ein Porsche gewesen sein. Ich hab extra den Strickkram weggelegt und hingekuckt. Der ist gefahren wie 'ne gesengte Sau. Ich hab genau gesehen, dass während der Porsche am Überholen war, von vorne ein schwarzer Mercedes kam. Ich glaube, dass sich der Porsche und der Mercedes irgendwie berührt haben, denn direkt nachdem die zwei Wagen aneinander vorbei waren, zog der Mercedes stark nach rechts. Anschließend kam er direkt auf uns zu. Dann gab es einen furchtbaren Knall. Von da ab weiß ich nichts mehr. Der arme Karl.„“Es tut mir wirklich sehr leid, Frau Dubke„, sagte Faust und strich sich etwas verkrampft durch die blonden Haare. Er fühlte sich ohnehin ungewohnt matt. Er spürte schon jetzt, am frühen Morgen, dass er in der vergangenen Nacht kein Auge zugemacht hatte. Was würde das noch für ein Tag werden?, fragte er sich. Dann nahm er einen neuen Anlauf: “Können Sie sich noch an sonst etwas erinnern? Und sind Sie sicher, dass es ein Porsche war?„, fragte Faust.Fortsetzung folgt.Der Roman "Fluchtwunden" ist in allen TV-Pressecentern für 9,50 Euro erhältlich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort