Moselansichten Romantische Zeugnisse aus dem Moseltal

Trier · Als das Moseltal touristisch noch im Dornröschenschlaf lag, bereiste der englische Maler Clarkson Stanfield in den 1830er Jahren die Region. Seine romantischen Landschaftsbilder hält der Kunstliebhaber Karl Schmitt-Korte aus Frankfurt für die „schönsten Ansichten der Mosel, die im 19. Jahrhundert entstanden sind“. Einen geheimnisvollen Ort namens Nolenauter hat Schmitt-Korte 150 Jahre später identifizieren können (der TV berichtete). Nun erzählt er von den weiteren Bildern Stanfields.

 Die Ansicht der Porta Nigra und des Simeonstores von Clarkson Stanfield zeigen den Rückbau der Simeonskirche zum römischen Tor im Jahr 1836.

Die Ansicht der Porta Nigra und des Simeonstores von Clarkson Stanfield zeigen den Rückbau der Simeonskirche zum römischen Tor im Jahr 1836.

Foto: TV/Horst Ziegenfusz

Clarkson Stanfield (1793-1867) bereiste im Jahr 1836 Mosel und Maas, um im Auftrag eines Londoner Verlegers Zeichnungen der beiden historischen Flusslandschaften anzufertigen. In den im folgenden Jahr erschienenen „Sketches on the Moselle, the Rhine & the Meuse“ mit 30 großformatigen Tafeln zeigt die Hälfte Motive aus dem Moselgebiet.

So sehen wir in Clarkson Stanfield einen Künstler, der uns neben zahlreichen anderen Werken die schönsten Lithographien der Mosellandschaft aus dem 19. Jahrhundert beschert hat. Diese Bilder zeigen einen Zustand vor der Mitte des Jahrhunderts, der heute größtenteils nicht mehr besteht. Die mächtigen Gebäude wie Kirchen oder Burgen konnten die Jahrhunderte oft überdauern, doch die Häuser, Tore und anderen privaten Gebäude sind seitdem stark verändert oder ganz verschwunden. So wurde das Simeons-
tor an der Porta Nigra auf Geheiß Napoleons niedergerissen, um den römischen Charakter des Bauwerks wieder zur Geltung zu bringen.

Die alten Mühlen bei Pallien und Bernkastel haben ebenfalls die Zeiten nicht überdauert. Der Tourismus, der verstärkt um 1840 einsetzte und die folgenden Zeiten einer fortschreitenden Modernisierung haben manches pittoreske Ensemble gänzlich verschwinden lassen, so zum Beispiel die alten baufälligen Häuser am Moselufer in Cochem, die die idyllische Atmosphäre der Region stark mitgeprägt haben. Sie sind heute vergessen, ihr Bild ist uns aber dank der romantischen Lithographien erhalten geblieben.

Wer war dieser Maler? Stanfield ging zunächst zur britischen Handelsmarine, ab 1808 zur Royal Navy. Infolge eines schweren Unfalls durch Sturz von einem Mast gab er diesen Beruf auf und besann sich ganz auf seine künstlerische Begabung. Bereits 1815 war er in China gewesen, von wo er zahlreiche Skizzen mitbrachte. Im darauffolgenden Jahr avancierte er aufgrund seiner Fähigkeiten zum Maler von Bühnenbildern und Panoramen, zunächst im Royal ­Theatre in London und anschließend im Royal Coburg Theatre, wo er David Roberts traf. Beide verband fortan eine lebenslange Freundschaft. Durch ihre unterschiedliche Neigung – Stanfield widmete sich der Seefahrt und Roberts der Architektur – bildeten sie eine künstlerische Symbiose. Das Jahr 1823 sah Stanfields Höhepunkt als Bühnenmaler im Drury Lane Theatre. Im selben Jahr wurde er Mitbegründer der Royal Society of Britsh Artists, 1829 sogar deren Präsident.

Stanfield blieb sein ganzes Leben dem Meer verbunden, seine Spezialität waren sogenannte Seestücke sowie Küsten- und Flusslandschaften. Zusammen mit William Turner galt er als bester Künstler in diesem Metier, wobei er romantisch-realistisch malte, während Turner eine romantisch-mystische Atmosphäre vorzog. 1832 wurde Stanfield zum Mitglied der erlauchten Royal Academy gewählt. Zwei Jahre später gab er die Arbeit am Theater endgültig auf und konzentrierte sich ganz auf Zeichnungen, Aquarelle und Ölgemälde. Als sein bestes Werk gilt das Gemälde „The Battle of  Trafalgar“ mit einer ungeheuer dynamischen Darstellung der berühmten Seeschlacht. Dieses grandiose Bild hängt heute im United Service Club in London.

Clarkson Stanfield war auch ein enger Freund des bekannten englischen Schriftstellers Charles Dickens („David Copperfield“ und „Oliver Twist‘“), für dessen Bücher er zahlreiche Illustrationen schuf. Dickens ehrte ihn mit einem vielleicht einzigartigen Epilog: „Stanfield …war eine Seele an Großzügigkeit und Einfachheit. Der genialste, anhänglichste, liebevolle und liebenswerteste Mensch. Sein Erfolg hat ihn keinen Augenblick verdorben.“

 Die Abtei St. Matthias in Trier beherbergt viele antike Gräber, darunter das des Apostels Matthias.

Die Abtei St. Matthias in Trier beherbergt viele antike Gräber, darunter das des Apostels Matthias.

Foto: TV/Horst Ziegenfusz
 Einsame Mühle bei Bernkastel mit Blick auf Burg Landshut, die über die Jahrhunderte häufig den Besitzer gewechselt hat.

Einsame Mühle bei Bernkastel mit Blick auf Burg Landshut, die über die Jahrhunderte häufig den Besitzer gewechselt hat.

Foto: TV/Horst Ziegenfusz
 Romantische Ansicht von Pallien, heute ein Stadtteil von Trier, mit der alten Mühle.

Romantische Ansicht von Pallien, heute ein Stadtteil von Trier, mit der alten Mühle.

Foto: TV/Horst Ziegenfusz
 Alte Häuser in Cochem, überragt von der Ruine der Reichsburg.

Alte Häuser in Cochem, überragt von der Ruine der Reichsburg.

Foto: TV/Horst Ziegenfusz
 Stanfields Blick aufs Enderttor in Cochem, das heute eng mit anderen Gebäuden umbaut ist.

Stanfields Blick aufs Enderttor in Cochem, das heute eng mit anderen Gebäuden umbaut ist.

Foto: TV/Horst Ziegenfusz

Die Abbildungen Stanfields und seiner Zeitgenossen, wie sie heute vor uns liegen, sind streng genommen das Ergebnis von der Hand des Lithographen, die Zeichnungen des Malers dienten dabei ‚nur‘ als Vorlagen. Die Skizzen, die der reisende Künstler mitbrachte, mussten dafür erst noch im Atelier en detail ausgearbeitet werden, ehe der Lithograph mit der schwierigen Übertragung auf Stein beginnen konnte. Doch diese Vorlagen wurden danach teilweise auch als eigenständige Aquarelle oder Ölgemälde verkauft. Sie erhielten dadurch oft eine Art von Doppelleben, einerseits als Gemälde ein Unikat, andererseits als Lithographie eine Vervielfältigung. Im letzteren Fall ist es deshalb auch üblich – und korrekter –, solche Werke unter Bezeichnungen wie „Louis Haghe nach Clarkson Stanfield“ zu führen. Wenn man nur von „Stanfield“ spricht, wird das Werk des Lithographen in gewisser Weise abgewertet. Dennoch ist es weitgehend üblich, die fertigen Lithographien nach dem Maler zu bezeichnen, weil ihm das künstlerische Primat zusteht. Die spiegelverkehrte und detailgetreue Gravur in Stein ist gleichermaßen eine künstlerische wie reproduktive Arbeit, bei der die Betrachtung des fertigen  Kunstwerks leider oft in den Hintergrund tritt.

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