Rückblick auf ein immerwährendes Projekt

Trier · Für die Trierer ist der Dom ein Stück Alltag und für die Besucher eine imposante und manchmal bizarre Sehenswürdigkeit. Die Ausstellung zur Baugeschichte, die noch bis zum 23. August im Dommuseum zu sehen ist, dokumentiert eindringlich, wie wenig normal die Normalität dieses Gotteshauses ist.

Trier. Der Trierer Dom wirkt auf alle, die ihn betrachten und anfangen Fragen zu stellen, wie eine Sphinx: monumental, aber verwirrend in seiner Stilvielfalt; rätselhaft in der Vielzahl der architektonischen Details und dabei vor allen im Innenraum von unmittelbar spürbarer Spiritualität. Die Ausstellung im Dommuseum zur Baugeschichte des Gotteshauses, die jetzt bis zum 23. August verlängert wurde, gibt dazu keine wohlfeilen Antworten. Aber es lassen sich mit ihr Fragen kenntnisreicher, eindringlicher und präziser stellen.
Die Schau beschränkt sich nicht auf nur eine Epoche in der komplexen Baugeschichte von der Konstantinischen Doppelkirche um 320 bis zur Wiedereröffnung des Doms 1974. An sieben Schautafeln im Foyer lässt sich in Stichworten der Bauzustand durch die Jahrhunderte ablesen. Und in einem Seitenraum dokumentieren Dauer-Exponate wie das Modell der konstantinischen Kirchen-Anlage aus dem 4. Jahrhundert oder das detaillierte Grabungsmodell, das wie die Dokumentation der Baugeschichte zur musealen Grundausstattung gehört.
Im Mittelpunkt indes steht die Erneuerung der Bischofskirche im 20. Jahrhundert und damit eins der aufwendigsten, vielschichtigsten und diffizilsten Architektur-Projekte der Nachkriegszeit.
Die Projektdauer von den ersten, provisorischen Sicherungsmaßnahmen ab 1959 bis zur Wiedereröffnung 1974 spricht für sich. Wie komplex die Thematik war, lässt sich den unterschiedlichen Architekten-Entwürfen entnehmen, aber auch den Audio-Mitschnitten aus Sitzungen der Baukommission.
Mord am Dom


Die Bandbreite der dokumentierten Entwürfe reicht von radikaler romanischer Historisierung bis hin zu einer vorsichtigen Stil-Aktualisierung. Ein wichtiger Diskussionspunkt der per Audiodatei abhörbaren Kommissionssitzungen war die barocke Erweiterung durch Querschiffe und Lichtwände von Hofbaumeister Johann Georg Judas. Die wurden kurz und etwas tendenziös "Judaswände" genannt. Obwohl offenbar Einigkeit bestand, dass diese Bauten keine architektonischen Glanzstücke waren und zudem die Statik des Doms gefährdeten, entschied man sich nach langer und kontroverser Beratung für deren Erhalt.
Auch außerhalb der Kommission mangelte es keineswegs an Kritik. In einem Artikel vom Februar 1973 mit dem spektakulären Titel "Mord am Dom" kritisierte der TV vor allem, dass der Putz abgeschlagen und der Dom damit "enthäutet" werde. Tatsächlich sind auch unter Trierern Einwände gegen die Maßnahme leiser geworden, aber nicht gänzlich verstummt.
Ähnliches wird für die Entscheidung gelten, die Bischofsaltäre an ihren exponierten Standorten zu belassen. Am uneingeschränkt positiven Gesamturteil bei Besuchern und Einheimischen ändern diese Details nichts. Ob ein Projekt dieser Komplexität in den Zeiten von Stuttgart 21 und BER-Flughafen noch möglich wäre?
Der Teufel steckt im Detail


Probleme der Schau im Dommuseum beschränken sich auf Details. So artet im Grabungsmodell die Identifizierung von Einzelheiten und der Abgleich mit der allzu kleinen Erläuterungstafel zur mühsamen Suchaktion aus; das ließe sich durch stärkere Beleuchtung und größere Ziffern/Buchstaben unschwer beheben. Für manche Besucher mag irritierend sein, dass sich die Schau scheinbar ungeregelt über das gesamte Museum verteilt.
Aber genau darin liegt ihr Prinzip. Die Domerneuerung war eben keine Maßnahme mit definiertem Anfang und voraussehbarem Ende; sie tastete sich vielmehr lange Zeit mühsam vor durch das Dickicht von historischen, bautechnischen, ästhetischen, finanziellen und liturgischen Ansprüchen. Dieser komplexe Prozess spiegelt sich im Aufbau der Schau. Einfacher und gradliniger wird man es ohne substanzielle Einbußen wohl nicht bekommen können.
Extra

Begleitprogramm zur Ausstellung: Am Internationalen Museumstag am 17. Mai werden bei freiem Eintritt Kurzführungen durch die einzelnen Ausstellungsteile angeboten: 12.30 Uhr: Die wilhelminische Renovierung des Trie-rer Domes 1883-1911. Führung mit Markus Groß-Morgen 14 Uhr: Die Pläne zur Umgestaltung des Ostchores im Trierer Dom von 1940/41. Führung mit Kirstin Mannhardt 14.30 Uhr: Das gescheiterte Projekt einer zentralen Bischofsgruft im Trierer Dom 1965. Führung mit Kirstin Mannhardt 16 Uhr: Die große Domrenovierung 1959-1974. Führung mit Markus Groß-Morgen 17. Juni, 19 Uhr: Erzählcafé zur Domrenovierung - Zeitzeugen berichten 1. Juli, 19 Uhr: Die jüngsten Seligen des Bistums im Trierer Dom. Mit Micha Flesch Eintritt jeweils. 4,50 Euro, ermäßigt 2,50 Euro. mö

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