Russischer Farbenrausch

TRIER. Neue spannende Horizonte eröffnen die Thermen am Viehmarkt in Trier mit ihrer aktuellen Schau "Unity". In Zusammenarbeit mit dem Landesmuseum Koblenz präsentiert Burgen, Schlösser, Altertümer Arbeiten der russischen Künstlerin Ekatherina S. aus den Jahren 1989-2006.

 Kam von der Mathematik zur Bildenden Kunst: Ekatherina Savtchenko. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Kam von der Mathematik zur Bildenden Kunst: Ekatherina Savtchenko. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Ohne Emotionen keine intellektuelle Leistung - das lehrt die moderne Hirnforschung. Ekatherina Savtchenko verkörpert geradezu solch wissenschaftliche Erkenntnis. Die blonde Russin, die wie ein Model aussieht, blitzgescheit ist und dazu jede Menge Intuition besitzt, arbeitet als Malerin und Multi-Media-Künstlerin. Bevor sie dahin kam, hatte sie sich anderen Künsten zugewandt. Ihre Liebe war die Bildende Kunst

In ihrer Heimatstadt St. Petersburg studierte sie Mathematik, Physik und Informatik. "Ich wollte etwas machen, was unpolitisch war", begründet die polyglotte Frau, die sich über ihr Alter ausschweigt, ihre Fächerwahl. Ihre große Liebe, die Bildende Kunst, gab sie dennoch nicht auf. Fürs Erste mussten allerdings die Naturwissenschaften helfen, Ekatherinas Sehnsucht nach einem eigenen Weltbild zu stillen. "Die abstrakten Zeichen der Mathematik waren für mich ein erster Weg, die Welt neu zu entdecken und ins Bild zu setzen", erinnert sich die Künstlerin. Mit dem frischen Wind der Perestroika wurde der Weg frei für andere Bildfindungen. Ihre ersten Gehversuche in Malerei, Bildhauerei und Neuen Medien unternahm Ekatherina S. (so ihr Künstlername) an der heimatlichen Hochschule an der Newa, später wechselte sie nach Düsseldorf, der ersten Akademie- Adresse in Deutschland. Heute lebt die Meisterschülerin von A. R. Penck abwechselnd am Rhein und in New York. In Trier hat die Künstlerin, deren internationale Ausstellungsbiografie beachtliche Stationen vorweist, eine umfangreiche Werkschau vorgelegt. "Unity" (Einheit) nennt sie die Versammlung aus Gemälden, bearbeiteten Fotos und Zeichnungen. Und das meint weit mehr als eine Zusammenschau von Medien, für die das antike Mauerwerk eine eindrucksvolle Kulisse bildet. Was sich im Innenraum der Viehmarktthermen auftut, ist ein bildnerisches Universum aus Farbe und Zeichen, in dem sich naturwissenschaftliche Erkenntnisse und seelische Befindlichkeit zu einem ausdrucksstarken Bild aus Farbe und Zeichen verdichten. "Unity" - das meint den Zusammenfall der Außen- und Innenwelt von Ekatherina S., die bildnerische Vermessung und Auslotung ihres geistigen und seelischen Universums. Wie für die Künstler der Antike ist ihr das Weltgeschehen eine vielfarbige und vielgestaltige Einheit. Mit den Elementen Wasser, Feuer und Licht setzt sie sich in ihren Bildern auseinander. Die Zeichen afrikanischer und asiatischer Kulturen verarbeitet sie ebenso in ihrem Werk wie die Vasenmalerei der griechischen Antike und die chiffrierte Sprache der Moderne. Mitten in diesem Kosmos bewegt sich der Mensch. Ekatherina S.' Menschen sind in der Regel auf Zeichen und körperlose Umrisse reduziert, auf zeitlose Chiffren für Tod und Leben, Freude und Sehnsucht. Was bei dieser Ausstellung sogleich ins Auge fällt, ist die Fülle der Zitate. Was sie fesselnd und doch zuweilen befremdlich macht, ist der opulente Umgang mit der Farbe.In der New Yorker Szene geht es heiß her

Wie glühendes Magma bricht sie bisweilen aus der Leinwand. Ihr Ätherblau macht Schweben und nährt Träume, ihr lichtes Gelb vermittelt Kraft und Freude. Aus einem See aus schwerblütiger Seelenfarbe taucht Ophelia (Hamlets unglückliche Braut) in Ekatherina S.' gleichnamigem Fotozyklus auf. Den nüchternen Zeitgenossen mag soviel Farbenrausch schon mal erschlagen. An Mystik, russische Seele und russische Romane des 19. Jahrhunderts denkt er angesichts der Bilderschau. Und tatsächlich bestätigt die Künstlerin: während der Arbeit an Ophelia habe sie den Roman eines Landsmannes gelesen. Freilich: Nicht nur russische Seele ist angesagt. Wer mal rüber nach New York schaut, sieht: In der aktuellen New Yorker Kunstszene geht es geradeso heiß her. Bis 22. April, dienstags bis sonntags 9-17 Uhr, Mo geschlossen, Viehmarktthermen Trier.

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