"Sätzen Se sech. Sä send albern!"
BERLIN. Deutschland versank in Schutt und Asche, als im Studio Babelsberg die Dreharbeiten zu einem Film begannen, der zur populär-sten Komödie der Ufa wurde: "Die Feuerzangenbowle". Am 28. Januar 1944 wurde er in Berlin uraufgeführt.
Mit solchen Lehrern ist kein Staat zu machen: vertrottelte, in breitestem Rheinisch oder mit seltsam schnarrender Sprache redende Einfaltspinsel ("Schwäfelwasserstoff est ein onangenähmer Gesälle"), deren didaktische Methoden äußerst fragwürdig und die selbst vor keinem Streich und keiner Parodie gefeit sind. Und das zu einer Zeit, da Zucht, Ordnung, Disziplin erste Untertanenpflichten sind. Reichsbildungsminister Bernhard Rust versucht deshalb, Propagandaminister Joseph Goebbels von der zersetzenden Kraft der "Feuerzangenbowle" zu überzeugen. Der Reichsmarschall hat sich köstlich amüsiert
Schützenhilfe erhält er von Reichsamtsleiter Walter Tießler: "Eine Unzahl von Schulen kann nur dadurch aufrechterhalten werden, daß Lehrer, die an sich schon längst pensioniert waren, sich sofort zu Beginn des Krieges freiwillig wieder für ihren alten Dienst zur Verfügung gestellt haben", notiert er. "Ein solcher Film aber würde die Autorität der Schule und der Lehrer geradezu gefährden." Goebbels ist überzeugt - und "Die Feuerzangenbowle" fürs Erste verboten. Aber die drei Bedenkenträger haben die Rechnung ohne den Hauptdarsteller gemacht. Heinz Rühmann, damals 41 Jahre alt, lässt seine Kontakte zu Hermann Göring spielen. Er bringt ihm die fünf Filmrollen persönlich in die Wolfsschanze, wo sich der Reichsmarschall mit einigen Offizieren den Film ansieht. Anschließend berichtet er seinem "Führer", dass die Herrenrunde mehrfach herzhaft lachen musste und sich auf die Schenkel geschlagen hätte. Noch am Abend notiert er in sein Tagebuch: "Der Führer gibt mir den Auftrag, mich nicht durch Einsprüche von Lehrerseite oder von Seiten des Erziehungsministeriums einschüchtern zu lassen." Die Uraufführung wird auf den 28. Januar 1944 festgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt waren einige der jugendlichen Hauptdarsteller bereits gefallen. Alle Bemühungen, die Dreharbeiten in die Länge zu ziehen, um ihnen den Marschbefehl an die Front zu ersparen, hatten nichts genützt.Dem Premierentag ist eine Nacht verheerender Zerstörungen vorausgegangen. Eintausend englische Kampfflugzeuge haben viertausend Bomben über Berlin abgeworfen. Angesichts der Zustände, die kaum noch einen daran zweifeln lassen, dass der Untergang des Deutschen Reichs nur noch eine Frage der Zeit ist, wird "Die Feuerzangenbowle" - auch das ist vom "Führer" ins Kalkül gezogen worden - purer, aber hoch willkommener und bitter nötiger Eskapismus: Allein bis Ende 1944 spielt der Film sieben Millionen Reichsmark ein; zwanzig Millionen Besucher sehen ihn bei seinem ersten Einsatz. So viele Menschen sitzen übrigens ein Vierteljahrhundert später vor den Bildschirmen, als der Film zum ersten Mal im Fernsehen ausgestrahlt wird.Viel wurde nach dem Krieg darüber gestritten, ob und inwiefern die harmlose Komödie nach dem Erfolgsroman des Düsseldorfer Rechtsanwalts Heinrich Spoerl - der zuvor schon als "So ein Flegel" (1934) und dann noch einmal 1970 verfilmt wurde und beide Male ein ziemlicher Flop war - nationalsozialistisches Gedankengut transportiert. Die Frage wird von einer Fraktion allein aufgrund der Tatsache bejaht, dass alle unter den Nationalsozialisten entstandenen Streifen in irgendeiner Form deren Weltanschauung widerspiegeln mussten.Als Beleg wird eine Stelle gegen Ende des Films angeführt, in dem sich der gemütliche Bömmel (Paul Henckels) und der schneidige Oberlehrer Brett (Lutz Götz), ein Mann ganz nach Nazi-Gardemaß, über die künftigen Schüler unterhalten - eine Szene übrigens, die man im Roman vergeblich sucht. Brett fabuliert darüber, die Disziplin sei das Band, das alles zusammenhält und dafür sorgt, dass die Bäume gerade wachsen. Sicherlich hatte dieser von Regisseur Helmut Weiss eingefügte Dialog die Funktion, den drohenden Konflikt mit den Diktatoren etwas abzumildern. Doch mehr Nazi-Gedankengut lässt sich in der "Feuerzangenbowle" beim besten Willen nicht aufspüren. Im Gegenteil: Zeigt der Film mit der behäbig-pfiffigen Art, wie man die Autoritäten an der Nase herumführt, nicht gerade seinen wahren subversiven Charakter? Ist nicht die Tatsache, dass Goebbels den Film verbieten lassen wollte, Beweis genug dafür, dass er fern jeder Nazi-Ideologie angelegt ist? Das einzige, was man der Komödie wirklich vorwerfen kann, ist das noch aus wilhelminischen Zeiten herübergerettete "Spießerlied der Selbstbescheidung", das nach Ansicht des Filmwissenschaftlers Joe Hembus die Leinwandadaption ebenso durchzieht wie den Roman, in dem Spoerl das Fazit zieht: "Wahr sind die Träume, die wir spinnen, und die Sehnsüchte, die uns treiben." Dann kommt prompt der erhobene Zeigefinger: "Und damit wollen wir uns bescheiden." Nicht die beste, doch die populärste Rolle
Dr. Johannes Pfeiffer mit drei f war nicht Rühmanns beste Arbeit; in den bleiernen Fünfzigern hat er im bundesrepublikanischen Film bemerkenswertere Spuren hinterlassen. Aber die Pennäler-Posse bescherte dem Mimen seine populärste Rolle, die selbst für die mittlerweile "Kids" genannten Jugendlichen nichts von ihrem Reiz verloren hat. Wenn die auch über den Autoritätsanspruch der von Erich Ponto, Paul Henckels und Hans Leibelt gespielten Pauker nur "möde" lächeln können - über die Schlitzohrigkeit, mit der diese Autorität von den Schülern unterlaufen wird, lachen sie noch heute.