Sanfte Frischzellenkur

Aller guten Dinge sind drei: Nach dem fulminanten Saison-Start mit dem Tanzstück im Großen Haus und der Komödie im Studio legt das Trierer Theater mit einer pfiffigen Version des Musicals "Kiss me Kate" noch einmal nach.

Trier. Es ist schon ein ziemlich alter Zirkusgaul in der Musical-Manage, dieses "Kiss me Kate". Die Gags sind routiniert, die Handlung hat Patina angesetzt, die Musik klingt leicht behäbig - jedenfalls, wenn man sich die Original-Broadway-Version aus den Fünfziger Jahren anhört.In der Trie rer Produktion rückt man diesen Problemen erfolgreich zuleibe. Die Pointen werden mit aktuellen Anspielungen von "Personal Trainer" bis "Pretty Woman" gespickt, die Handlung mit einem Schuss Ironie und einer Prise Groteske aufgepeppt - und die Musik kommt genauso dynamisch und energiegeladen aus dem Graben, wie Dirigent Jens Bingert gleich zum Anfang an sein Pult springt.Ein starker Einstand für den neuen Chor-Direktor und Kapellmeister, der die gemischte Truppe aus Schauspielern und Sängern mit klarer Zeichensetzung bei der Stange hält und die städtischen Philharmoniker in flotten Tempi swingen lässt, dass es eine Freude ist. Die Zusammensetzung des Ensembles bringt naturgemäß ein paar Probleme mit sich, wobei die Darstellungskunst der Sänger weniger gewöhnungsbedürftig ist als die Gesangskunst des einen oder anderen Schauspielers. Aber bei dieser Produktion, die am Finaltag der Damen-Fußball-WM Premiere feiert, ist ohnehin die Mannschaft der Star. Eine geschlossene Truppe, in der jeder seinen Glanz-Auftritt hat. Sabine Brandauers Anti-Männer-Nummer beispielsweise, bei der im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen fliegen. Oder Hans-Peter Leus herrliches "Viel zu heiß", das die Regie in das originelle Ambiente der Theater-Katakomben verlegt. Nicht zu vergessen das Parade-Stück "Schlag nach bei Shakespeare" des grottenkomischen Gangster-Duos Jan Brunhoeber/Manfred-Paul Hänig, das angelegt ist wie eine Kreuzung aus den Blues-Brothers und dem schrägen Killer-Duo aus dem Bond-Film "Diamantenfieber".Verhaltener Start, starke Temposteigerung

Am Anfang kommt die "Theater im Theater"-Handlung über ein geschiedenes Schauspieler-Pärchen, dem das Privatleben und der gemeinsame Auftritt in Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" tragikomisch durcheinandergeraten, etwas mühsam vom Fleck. Aber von Szene zu Szene geht das Konzept von Regisseur Axel Stöcker besser auf, dem angegrauten Nachkriegs-Charme des Stücks mit satirischer Überspitzung eine sanfte Frischzellenkur zu verpassen. Spätestens, wenn der souveräne Michael Ophelders als alternder Schauspieler Fred Graham (plus Shakespeares Petrucchio) und Sabine Brandauer als Ex-Ehefrau Lilli Vanessi (und widerspenstiges Kätchen) zunehmend aus ihrer Rolle fallen, ist Amüsement im Publikum garantiert. Intelligent umschifft die Regie auch den Schluss: Wo Kätchen ihren finalen Kotau vor der Männerwelt macht und gelobt, künftig brav zu gehorchen, versammeln sich die Frauen des Stücks um sie und knipsen dem Publikum ein Auge, wie Butler James in "Dinner for one", bevor er Miss Sophie ins Schlafgemach begleitet. Aus dem notgedrungenen Verzicht auf ein Ballett machen Stöcker und seine Choreographin Amy Share-Kissiov eine Tugend. Es tanzen und posieren blendend aufgelegte Solisten (Vanessa Daun, Angelika Schmid, Peter Koppelmann, Thomas Schobert, Eric Rieger, Peter Singer, László Lukács, Heribert Schmitt) und ein spielfreudiger und beweglicher Chor. Da sieht man, was szenisch möglich ist, wenn gut und gründlich gearbeitet wird.Last not least: Auch die ins Groteske überdrehten Kostüme von Frank Lichtenberg/Carola Vollath und das eigenwillige, mit Klischees spielende, zügige Abläufe geschickt ermöglichende Bühnenbild (Olga von Wahl) tragen maßgeblich zu einer gelungenen Produktion bei, die am Ende vom Publikum ausgiebig gefeiert wird. Ach ja, und da war noch das junge Pärchen (offenkundig kein Paar), das in der Pause vor der Eingangstür stand und einträchtig feststellte: "Männer und Frauen passen eben nicht zusammen". Aber das war ja noch vor dem Happy End. UMfrage Eine Alternative zum KinobesuchMichaela Zimmer, Bitburg: "Ein schöner, unterhaltsamer und amüsanter Abend. Es war mein Geburtstagsgeschenk, und es hat alles total gepasst, angefangen von der Musik bis hin zum Bühnenbild. Und es hat sogar geswingt." Philipp Chorus, Trier: "Mir hat das Musical sehr gut gefallen. Die Witze fand ich sehr fix vorgetragen. Die Musik war sehr flott. Eine gute Stimmung. Durchaus weiterzuempfehlen — auch als Alternative zum Kinoabend." Simon Lames, Breit: "Den männlichen Hauptdarsteller kannte ich schon von vorher. Ziemlich gut, was er heute gezeigt hat. Der Humor kam nicht zu kurz. Er hat Jung und Alt angesprochen. Die Blues Brothers' - einfach super gelungen." Coletta Geulen, Trier: "Witzig, spritzig. Ich hatte viel Spaß. Ganz originell die Kostüme. Das Bühnenbild war gut, wie es war. Einfach aber originell. Schön, dass alle Songs gut zu verstehen waren, man sogar den genauen Wortlaut mitbekommen hat." Umfrage und TV-Fotos (4): Ludwig Hoff

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