Saufen, spucken, schlagen

Luxemburg · Einen Strudel an Worten und beeindruckenden Bildern liefert die Inszenierung von Bertolt Brechts Frühwerk "Im Dickicht der Städte" des ausverkauften Luxemburger Nationaltheaters. 100 Zuschauer spendeten viel Applaus.

 Konstantin Bühler als George Garga und Nora König als Jane Larry. Foto: TNL

Konstantin Bühler als George Garga und Nora König als Jane Larry. Foto: TNL

Luxemburg. Eine schlichte, aber effektvolle Bühne (Anja Jungheinrich), eine mutige, aktuelle Inszenierung und teils großartiges Schauspielertheater zeigt die Premiere von Brechts "Im Dickicht der Städte" im Théâtre National du Luxembourg (TNL). Unter der Regie von Stefan Maurer (der im Jahr 2010 in Trier mit der Uraufführung von Salman Rushdies "Mitternachtskindern" für Diskussionen gesorgt hatte) spielt die Crème der Luxemburger Theaterszene und ein bemerkenswerter Konstantin Bühler (als George Garga) aus Düsseldorf.
Brecht notierte 1921, dass "eigentlich noch niemand die große Stadt als Dschungel beschrieben hat". In einem seiner sperrigsten Stücke, das Maurer auf 100 Minuten Länge eindampft, stellt sich Brecht diesem Thema am Beispiel des Kampfes zweier Männer in Chicago.
Große Sprachverwirrung


Scheinbar grundlos, nur um des Kampfes willen, versucht der mysteriöse Holzhändler Shlink (Germain Wagner mit feiner, beängstigender Ironie und harmloser Attitüde) das Leben des idealistischen und freiheitsliebenden Bibliothekars George Garga zu ruinieren; nur weil er es kann, andere Motive bleiben im Dunkeln. Das gelingt ihm scheinbar auch, er treibt Gargas Familie ins Unglück, die Frauen in die Prostitution. Er überlässt Garga seine prosperierende Holzhandlung, die dieser mit krummen Geschäften prompt ruiniert und hält nebenbei noch dessen Familie aus, macht sie zum Gespött. Zum Schluss jedoch verzweifelt Shlink, er nimmt sich mit Gift das Leben. Doch Stefan Maurers Inszenierung verweigert sich der Darstellung des Kampfes, der Konflikt spielt auf einer höheren, poetischen Ebene. "Die unendliche Vereinzelung des Menschen macht seine Feindschaft zum unerreichbaren Ziel", lässt Brecht seinen Shlink am Ende sagen.
Luxemburgisch-Babylonisch die Sprachverwirrung auf der Bühne: Deutsch, Luxemburgisch, Italienisch - übergangslos wechseln die Sprachen. Ein ganz starker, glaubwürdiger und ungekünstelter Konstantin Bühler rezitiert dazu noch - den von Brecht glühend verehrten - Arthur Rimbaud auf Französisch. Erschreckend ansatzlos der Wechsel vom kitschigen Canzone "Bella Ciao" zum "Fuck You"-Gekeife im Duell von Gargas Vater (vielschichtig: Raoul Schlechter) und seiner Tochter/Schwester/Frau (Nora König glänzt in drei Rollen). Da wird gespuckt, getreten, gesoffen, geohrfeigt, sich entblößt, "wie niedrig sie machen, die Liebe und der Hass", nur der Kampf der verfeindeten Männer bleibt körperlos. Eine absolut sehenswerte Inszenierung, körperlich, sinnlich und sprachlich.
Weitere Vorstellungen am 12., 17. und 18. Mai, Tickets über www.tnl.lu oder 00352/4708951.

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