Schale rau, Kern weich

WITTLICH. Mit dem finnischen "Trio Töykeät" startete der Jazzclub Wittlich im Hotel Lindenhof furios in die neue Spielzeit. Noch fünf viel versprechende Konzerte stehen auf dem Saisonprogramm.

Da setzt sich einer an den Flügel und schlägt immer wiederkehrende, energische, harte Melodie-Formeln in die Tastatur. Da klopft jemand heftig aufs Schlagzeug. Und dazwischen setzt ein Kontrabassist so energische Akzente, dass auch er im furiosen Einstieg nicht untergeht. Das finnische "Trio Töykeät", was soviel heißt wie "die Rüden", versteckt sich nicht hinter gefälligem Sound, sondern liebt die Drastik, die Ecken, die kräftigen, widerspenstigen Rhythmen. Die Melodik des Einstiegs gleicht der Alpen-Topografie und nicht dem Land der 1000 Seen: Risse und Schründe, aber auch erhabene Gipfel. So musizieren ausdrucksbewusste Könner, keine Dilettanten, die mit überhartem Einsatz Mängel von Ausbildung und Metierkenntnis verdecken wollen.Melodien wie bei Robert Schumann

Iiro Rantala, Klavier, Bassist Eerik Siikasaari und Rami Eskelinen am Schlagzeug haben sich zu einer heiklen Formation gefunden. Wenn nicht gerade Jacques Loussier mit seinem Trio "Play Bach" spielt, ist eine Gruppe ohne Melodieinstrument anfällig für Monotonie. Aber die bleibt aus beim "Trio Töykeät". Das beherrscht nämlich auch die feinen, sensitiven, singenden Töne. Pianist Rantala zaubert dann ein leichthändiges Filigran, und manchmal klingen Melodien, als habe sich Robert Schumann am Jazz versucht. Rami Eskelinen am Schlagzeug legt immer wieder die harten Schlägel beiseite, greift zum Jazzbesen und verbindet Dezenz mit Drastik so überzeugend, dass jeder Anflug von lautstarker Einförmigkeit ausbleibt. Und dann der Kontrabass des Eerik Siikasaari. Wenn der den Bogen aus dem Futteral holt, dann beginnt das schwerfällige Instrument zu singen, selbstverständlich nicht elegant-geziert, aber mit einer gehörigen Portion Seele, barsch, aber ehrlich. Unter der rauen Schale schlummert bei den Finnen ein weicher Kern. Das "Trio Töykeät" breitet eine enorm große Klang- und Stil-Palette aus - von Bach bis zur Tango-Kultfigur Astor Piazzolla, von deutscher Klavier-Romantik bis zum Heavy Metal, von Duke Ellington bis zur eigenen, sperrig-brillanten Spielweise. Und die Instrumentalbeherrschung, der Erfindungsreichtum und die Präsenz auf dem Podium - phänomenal! 70 jubelnde Besucher. Mit dem finnischen Trio eröffnete der Jazz-Club Wittlich die aktuelle Saison und hat dabei gerade einen Personalwechsel hinter sich. Nach dem Rücktritt von Jazz-Profi Christoph Daum, der zwischen Berlin und Bogota pendelt und die Wittlicher Szene nur noch sporadisch betreuen konnte, steht jetzt Eckhard Bose, Mediziner und ausgewiesener Alfred-Hrdlicka-Freund und -Kenner, an der Spitze des Clubs. Auch der Jazz ist von den allgemeinen Zuschusskürzungen der Stadt nicht verschont geblieben, und die Sponsoren werden, so Bose, "immer rarer". Der Club hat darauf besonnen und doch entschieden reagiert: Keine Verwässerungen, sondern lieber wenig in hoher Qualität. Das Jazz-Meeting der letzten Jahre hat man gestrichen, zumindest für die laufende Saison. Geblieben sind, nach der Eröffnung, noch fünf anspruchsvolle Konzerte. Und ein Bonbon ist auch dabei: "Pantomime und Jazz" mit Milan Sladek auf den Wittlicher Kulturtagen 2006.

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