Scharfe Stimme gegen den Einheitschor

Gerolstein · Der Sozialstaat ist tot, es lebe der Neoliberalismus: Kabarettist Max Uthoff hat im voll besetzten Lokschuppen in Gerolstein rund 250 Gästen mit seinem Programm "Gegendarstellung" eine scharfzüngige Kapitalismuskritik serviert. Mal desillusionierend bis schockierend, mal trocken analytisch, mal schreiend komisch.

 Max und das Megafon: Kabarettist Uthoff lässt es in Gerolstein krachen. TV-Foto: Mario Hübner

Max und das Megafon: Kabarettist Uthoff lässt es in Gerolstein krachen. TV-Foto: Mario Hübner

Foto: (g_kultur

Gerolstein. Während in den Festsälen ringsum Alaaf und Helau gebrüllt und Dutzende Ein- und Ausmärsche bierselig zelebriert wurden, hat Fernsehkabarettist Max Uthoff ("Die Anstalt") nüchtern der bundesdeutschen Politik den Marsch geblasen. Das macht er auch - wie viele andere seiner Kollegen -, indem er Politiker und Parteien bloßstellt und der Lächerlichkeit preisgibt.
Beispiele: "Angela Christussie Merkel", die kurz vor Weihnachten beim CDU-Parteitag auf ihr leicht verunsichertes Wahlvolk heruntergekommen ist und alle ihre Schäfchen wieder beruhigt hat: "Denn kaum sind 30 Jahre Bürgerkrieg, schon stehen Flüchtlinge vor der Tür. Das ist überraschend für das CDU-Wahlvolk." Markus Söder als künftiger bayerischer Ministerpräsident: "Als Kabarettist sage ich dazu ganz klar Ja: eine Berufsabsicherung." Die Grünen: "Das ideologisierte Kirschkernkissen der deutschen Wohlstandsbürger." Und die SPD? "Mitleid."
Gut, ein wenig Slapstick ist dabei, wenn der bayerische Kabarettist stakkatohaft, rhetorisch brillant zwischen den Stilmitteln wechselnd und ohne Stichwortzettel die aktuellen Themen abhandelt. Doch Uthoff verharrt nicht dabei, er kann mehr: Er analysiert die Demokratie als bloßes Betriebssystem des Kapitalismus, das einwandfrei den Profit der Reichen mehrt, während täglich Hunderttausende bei den Tafeln tafeln und der Rotary Club gönnerhaft Aufgaben des Sozialstaats übernehmen darf - "und das in einem der wohlhabendsten Länder der Welt".
Er belässt es aber nicht bei der Zustandsbeschreibung, sondern legt die dahinterstehenden Mechanismen offen, prangert die Austeritätspolitik an, die Griechenland als Wiege der Demokratie zu einer neuen Kolonie Deutschlands gemacht habe. "Der Vorteil: Man muss nicht mehr so weit reisen wie früher."
Und die griechische Frau, unter deren Bluse der Tumor immer weiter wächst und nässt, weil sie sich seit zwei Jahren keine Krankenversicherung mehr leisten kann? Oder die 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit? Allenfalls unangenehme Nebenwirkungen.
Nein, der 48-Jährige will nicht nur unterhalten - auch wenn er das hervorragend macht -; für ihn gehört zum politischen Kabarett, dass dem Zuhörer auch mal der Brocken im Halse stecken bleibt. Und weil man bekanntlich bei manchen trotz noch so vieler Argumente nicht durchdringt, hat er zu Sicherheit ein Megafon mitgebracht. Und verschafft sich auch so eine Stimme in der Flüchtlingsdebatte gegen den immer lauter und größer werdenden Einheitschor, der das Lied der Grenzschließung und Gesetzesverschärfung schmettert.
Natürlich sei das Frauenbild vieler arabischer Männer eine Katastrophe, gegen das jeder tagtäglich angehen müsse, und natürlich müssten die Straftäter verurteilt (aber zunächst einmal gefasst) werden. "Aber wird auch beim Missbrauch der Regensburger Domspatzen oder bei Wirtschaftskriminalität nach Gesetzesverschärfung geschrien?"
Zum Schluss gibt er den bestens unterhaltenen, aber eben auch erschrockenen, bestätigten, desillusionierten Gästen zwei Ratschläge mit auf den Weg: "Achten Sie auf die Sprache der Politiker." Und - noch viel wichtiger: "Versuchen Sie, Ihre Heiterkeit und Leichtigkeit zu bewahren." Darauf wahrlich ein dreifach donnerndes ... mh

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