Schicksal voll wehmütiger Leidenschaft

Dunkelheit im Konzertsaal des sonst crèmefarbenen, freundlich hellen Echternacher Trifolion. Ein virtuoses Piano setzt ein, Contra-Bass und die kleine bauchige portugiesische Gitarre dringen unter dunkelroten Lichtschleiern dazu. Bis langsam und barfüßig ein schmaler Mann, ganz in Schwarz, aufrecht und mit geschickt in Szene gesetztem Charisma die Bühne betritt und die Stimme erhebt.

Echternach. (rcl) Fado, der musikalisch-melancholische Inbegriff portugiesischer Wesensart, in der die Traurigkeit so tief eingegraben ist wie die Falten in das Gesicht eines alten Küstenfischers, bekommt hier einen jugendlicheren Anstrich. Die Instrumentierung ist ungewöhnlich für das eigentlich gitarrenlastige Genre, die stilistischen Einschläge sind es umso mehr. Wenn sich etwa beim zweiten Stück Klavier und Contra-Bass sanft gegenseitig antreiben, scheint der Southern Blues über die Traditionsmusik hereinzubrechen - und das, wo das Stück ausgerechnet von der portugiesischen Seele handelt.

Nicht jedem gefällt das. Ein jüngeres Paar mit portugiesischen Wurzeln zeigt sich in der Pause enttäuscht: "Uns gefällt der Stil nicht. Er ist nicht richtig, nicht original, zu modern", finden sie, obwohl die Begleit-Band technisch gut sei. Circa über die Hälfte des zu etwa 90 Prozent gefüllten Saals scheint portugiesisch-stämmig. Selbst Portugals Konsul in Luxemburg ist da. Aber Telmo Pires, der als Kind mit den Eltern nach Deutschland ausgewandert ist, spricht kaum portugiesisch mit seinem Publikum. Er springt im polyglotten Sprach-Mix teils in einem Satz vom erklärten Schulfranzösisch ins Deutsche, um noch einen portugiesischen Satz und ein paar englische Worte einfließen zu lassen.

Musikalisches Spiel mit den Klischees



Zwei Lieder singt er gar auf Spanisch, eines dreigeteilt französisch-deutsch-portugiesisch. Der deutsche Part erinnert an eine Menage aus Herbert-Grönemeyer-Ballade und aus einem der Rauheit beraubten "Element of Crime".

Pires spielt in Text und Kommentar mit dem Klischee der portugiesischen Mentalität zwischen Melancholie und Weinseligkeit, er bricht musikalisch mit der getragenen Instrumentalbegleitung des typischen Fado, verlangt explizit "mehr Tempo, mehr Leidenschaft und Temperament", Haltung und Pathos dagegen bleiben im Vortrag ursprünglich. Bei Doktorandin Franzi aus Trier kommt das an. Nachdem sie Telmo Pires schon einmal in Berlin gesehen hat, musste sie unbedingt - auch ohne Auto - nach Echternach, um ihn noch einmal zu hören. "Abwechslungsreich" findet sie seine moderne Interpretation der Musik, die sonst meist von Frauen gesungen wird.

Im Echternacher Trifolion können interessierte Besucher regelmäßig Zeugen musikalischer Experimente und Standards werden. Auf den Sitzen kann man einen beeindruckenden akustischen Raum genießen, in dem es kaum stört, wenn die Nachbarin - Fado-typisch - ein wenig mitsingt. "Du kannst mit deinem Herzen machen, was du willst. Aber vor deinem Schicksal wirst du niemals weglaufen können", paraphrasiert Pires die Botschaft aller Fado-Musik. Und später erinnert er: "Was früher musikalisches Revoluzzertum war, ist heute der klassische Fado." Ob es nun Schicksal ist oder Experiment, Hauptsache es bewegt.

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