Schlechter Atem als Bio-Waffe gegen Schädlinge

Nonanal ist ein flüchtiger Pflanzenstoff, der europäischen Weinreben zu einem Selbstschutz gegen den gefürchteten Falschen Mehltau verhelfen und so chemische Spritzmittel ersetzen könnte. Karlsruher Forscher sind dem Stoff mit Experimenten auf der Spur.

Trier. Eigentlich stammt die Weinrebe ja aus Pakistan. Jetzt aber hat sie Ernst Heene in der Mangel, in einem Versuchsgewächshaus am Karlsruhe-Institut für Technologie (KIT), wie die Uni sich heute nennt. Der Technische Assistent stülpt der Pflanze einen durchsichtigen Bratschlauch über und wirft einen Transformator an. Sofort brummt eine Mikropumpe los, ihren feinen Rüssel in dem Folienschlauch. Über Stunden wird sie einsaugen, was die exotische Rebe so absondert. "Die stinkt aus allen Poren", sagt Peter Nick, Botanikprofessor am KIT, halb indigniert, halb angetan von der Eigenart der Wildsorte aus Asien. Denn ihr schlechter Atem enthält Nonanal, einen Stoff, auf den es die Karlsruher Forscher besonders abgesehen haben.Wildreben wie die aus Pakistan schwitzen größere Mengen des kleinen Moleküls aus und sind so vor dem Falschen Mehltau geschützt, einem Algenpilz und gefürchteten Schädling in hiesigen Weinbergen. Nick hat das im Experiment entdeckt - und hofft nun, dass der Naturstoff Nonanal, der auch in ätherischen Pflanzenölen vorkommt, den Weg zu einem umweltverträglicheren Rebschutz in Mitteleuropa ebnet."Der Falsche Mehltau verwüstet hier je nach Jahr bis zu 30 Prozent der Weinernte", so Nick. zwölf-, 13-mal pro Saison greife ein deutscher Winzer zu chemischen Spritzmitteln. Mit ein Grund sei der Falsche Mehltau, "den man sonst nicht in den Griff kriegt". Selbst Bio-Weinbauern behelfen sich mit umstrittenen Präparaten. Sie enthalten Kupfer und sind nicht mehr lange erlaubt.UN-Jahr der Chemie Das Molekül der Woche

Dass nun Nonanal die Lösung sein könnte, erscheint zunächst einmal paradox. Denn eigentlich lockt das geruchsintensive Abbauprodukt von pflanzlichen Wachsen den Falschen Mehltau überhaupt erst an. Europas Wein-Kulturreben dünsten den flüchtigen Aldehyd auch aus - doch nur über ihre Blatt-Spaltöffnungen für den Gasaustausch. "Daraus strömt Nonanal wie so \'ne Art Mundgeruch", schmunzelt Nick. Die Schädlinge haben gelernt, der Fährte zu folgen, und die führt sie geradewegs zu den Eintrittspforten der Blätter, den Spaltöffnungen.Anders dagegen eine Wildrebe wie die pakistanische. Sie ist laut Nick sehr dünnhäutig und Nonanal bei ihr eine Art Ganzkörper-Transpirant. Das verwirre den Falschen Mehltau, "er weiß dann nicht mehr, wo er hin soll".Weil Nonanal rasch verdunstet, kann man sich ein Spritzmittel auf Basis des Naturmoleküls nur schwer vorstellen. Peter Nick und Kollegen vom Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof in der Pfalz verfolgen daher einen anderen Weg: Sie haben vor, Weißburgunder-Reben die Fähigkeit zur forcierten Nonanal-Abgabe quasi einzuverleiben - durch die Kreuzung mit Stinkern unter den Wildsorten. Die Beiträge dieser Serie laufen im Deutschlandfunk immer mittwochs um 16.35 Uhr in der Sendung "Forschung aktuell". In der Region empfangen Sie den Deutschlandfunk auf UKW 95,4 und 104,6. Weitere Infos auf www.dradio.de/jahrderchemie

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