Schmetterlinge im Bauch

Nach dem gewichtigen Start mit Wagners "Ring" geht das Tanz-Ensemble im Trierer Theater auf die nicht ganz so erdenschwere Suche nach dem Wesen der Liebe. "Schmetterlingssonaten" heißt Sven Grützmachers neues Stück zur Musik der Bach-Söhne Carl Phillipp Emmanuel und Friedemann sowie des Jazz-Pianisten Keith Jarrett.

 Proben-Impression von Sven Grützmachers „Schmetterlingssonaten“. TV-.Foto: Friedemann Vetter

Proben-Impression von Sven Grützmachers „Schmetterlingssonaten“. TV-.Foto: Friedemann Vetter

Trier. Sven Grützmacher wirkt erschöpft, wie er da am Fastnachtsdienstag in der Theater-Kneipe "Astarix" vor seinem Cappuccino sitzt. Im orangen Arbeits-Overall sieht er aus wie einer von der Stadtreinigung, der gerade die letzten Reste des Rosenmontagszugs von der Straße gefegt hat. Aber es sind keine Karnevals-Nachwehen, die den Chef des Trierer Tanz-Theaters so abgespannt aussehen lassen, und auch nicht allein die Folgen der allgegenwärtigen Erkältungswelle. Was Grützmacher das Leben schwer macht, ist der Umstand, dass er etwas Leichtes produzieren soll. Bislang waren seine Trierer Arbeiten großes Erzähl-Theater mit einem hohen Anspruch an die Mitdenk-Bereitschaft des Publikums. Nun hat, daraus macht der 41-Jährige keinen Hehl, die Theaterleitung ihn gebeten, mal einen leichter verdaulichen Abend auf die Beine zu stellen. Und das ist, auch wenn es klischeehaft klingt, ziemlich schwer. "Judas", "Brel", "Kozmic Blues", "Giselle": Da gab es klar umrissene Handlungsstränge, präzise Charaktere. Wenn in den "Schmetterlingssonaten" über die Liebe verhandelt wird, müssen die Tänzer sich und die Handlung selbst erfinden. "80 Minuten Emotionalität füllen und aus den Tänzern die Gefühle herauszerren, das ist harte Arbeit", sagt Grützmacher. Vor allem, weil man "erst am Premierenabend weiß, ob es funktioniert". Vom ersten Rausch zur Alltags-Routine

 Sven Grützmacher. Foto: Dieter Lintz

Sven Grützmacher. Foto: Dieter Lintz

Die Liebe: Das ist für ihn ein Paar, das vom Rausch des ersten Verliebtseins über alle Untiefen einer Beziehung bis hin zur Routine der Lebenspartnerschaft eine Reise ins Ungewisse erlebt. Mit glücklichem Ende, wie Grützmacher verrät, "eigentlich untypisch für mich". Die Paare in der Umgebung wandeln sich von anfangs "Gleichgesinnten" zunehmend zu "Schweigsamen", die die "Vision und den Glauben an ihre Liebe verloren haben". Das geht nicht allein über abstrakte Rollenspiele. Der Choreograph will seine Tänzer "an den Punkt treiben, wo sie an ihren eigenen Erfahrungsbereich gehen". Ihre Ausdrucksformen und Bewegungen sind der einzige Weg, die Geschichte zu erzählen. Zumal eine aufwendige Ausstattung, die dem Publikum den Zugang erleichtert, angesichts der Mini-Budgets schlicht nicht machbar ist. Da hängt vieles von der Musik ab. Barock-Fan Grützmacher kombiniert die Bach-Söhne Friedemann und Emmanuel mit dem italienischen Komponisten Pietro Locatelli und dem "Paris Concert" der Jazz-Legende Keith Jarrett. Gefällige Töne, ohne Abschreckungsgefahr. "Quotentauglich", sagt er knapp. Und doch hängt er an den "Schmetterlings-Sonaten", schon wegen seines Ensembles, mit dem er in drei Spielzeiten zusammengewachsen und auf das er "sehr stolz" ist. Wie es in Trier weitergeht, weiß Grützmacher im Moment nicht genau - die lange Wartezeit bei der Verlängerung der Intendanz Weber hat dafür gesorgt, dass auch andere Entscheidungen liegen geblieben sind. "Ich hätte schon noch Pläne für drei weitere Jahre", sagt der Mann, der das Trierer Tanztheater neu erfunden hat. Was er sich wünscht für seine Arbeit in Trier, darüber braucht Sven Grützmacher nicht lange nachzudenken: "Mehr Risikobereitschaft wäre schön". Ob er damit das Publikum meint, das Theater, die Politik? Die Frage lässt er offen, dreht sich lieber noch eine Zigarette, die er sofort genüsslich aufraucht. Heute darf er noch. Demnächst nicht mehr. Sonntag, 10. Februar Premiere, weitere Termine: 13., 16., 19., 24., 29. Februar, 8. und 30. März. In den Hauptrollen: Hannah Ma und David Scherzer. Karten: 0651-7181818.

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