Literatur Grießbrei bleibt Kriegsbeil

Trier · Zungenbrecher, Fifa und das Leben in der alten BRD: In Trier gab es einen vergnüglichen Abend mit Gerhard Henschel.

 „Drin oder Linie? Alles über das dritte Tor von Wembley“ weiß Gerhard Henschel bei seiner Lesung in der Tufa in Trier.

„Drin oder Linie? Alles über das dritte Tor von Wembley“ weiß Gerhard Henschel bei seiner Lesung in der Tufa in Trier.

Foto: Katharina Fäßler

Erst mal locker machen! Bevor der Schriftsteller Gerhard Henschel in der Reihe #literaturintrier aus seinen autobiografischen Martin-Schlosser-Romanen liest, gibt er Zungenbrecher („Grießbrei bleibt Kriegsbeil“) und einige von Robert Gernhardt gesammelte „Brechstangenverse“ zum besten wie diesen „Dior, Chanel“ betitelten: „Wir sind spät dran, Isabel, schau auf Dior, los, mach Chanel!“ oder den Satz „In deinem Zelt erwartet dich deine Tante“ (Dans ta tent t’attends ta tante). Das Publikum im Großen Saal der Trierer Tufa lacht begeistert, wo am Freitagabend großzügig verteilte Bistrotische darüber hinwegtäuschen, dass nur knapp 50 Besucher zu der von Tufa und Verlag éditions trèves veranstalteten Lesung gekommen sind. Ihnen bietet der aus der Nähe von Hamburg angereiste Autor gut zwei vergnügliche Stunden – mehr humorige Inszenierung als bloße Lesung.

Martin Schlosser ist das Alter Ego des Schriftstellers und ehemaligen Titanic-Redakteurs Gerhard Henschel, der neben unzähligen Artikeln, Satiren und literarischen Wanderbüchern bereits acht Bände seiner Autobiografie in Romanform geschrieben hat. Eigentlich, so erzählt der 1962 in Hannover geborene und in Koblenz und Meppen aufgewachsene Autor, wollte er nur einen „Kindheitsroman“ schreiben, später diesen dann als „Jugendroman“ weiterführen bis zum Abitur. Doch als Martin Schlosser nach 500 Seiten immer noch Zehntklässler ist, habe er die Limits kurzerhand über den Haufen geworfen und schreibe nun mit viel Freude weiter. Im jüngsten „Erfolgsroman“ kann Martin Schlosser nach abgebrochenem Studium von „Taxifahrerfächern“ endlich von der Schriftstellerei leben und die anderen Jobs an den Nagel hängen.

Dem Trierer Publikum trägt Henschel vor, wie er als 15-Jähriger Schüler aus der niedersächsischen Provinz auf Klassenfahrt nach Hermeskeil ging – „es war grauenerregend“. Die Horde Pubertierender hat andere Interessen als Ausflüge zu Römerbauten und dem Herz des Cusanus. Da prallen Welten aufeinander, deren Absurditäten die Zuhörer immer wieder auflachen lassen. Das überwiegend gleich alte Publikum erkennt sich in mütterlichen Standpauken in den 70ern, feucht-fröhlichen Familienfeiern, Beziehungsgequatsche der 80er, den Dramen beim Aufstellen von Weihnachtsbäumen oder einer an Schüchternheit scheiternden erotischen Annäherung wieder. Feinste Situationskomik!

Nebenbei spinnt Henschel Theorien ums dritte Wembley-Tor weiter, als 1966 zwischen dem schweizerischen Schiedsrichter und dem aserbaidschanischen Linienrichter wohl etwas in der Kommunikation schieflief. Und präsentiert den neuesten Schlager von Komponist Christian Bruhn (85, „Wärst du doch in Düsseldorf geblieben, „Wunder gibt es immer wieder“) auf den Henschel-Text „Macht doch bitte bitte eine zweite Kasse auf ... ich versprech, dass ich dann immer wieder bei euch kauf!“

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