Schrott und Schöpfung

Luxemburg · Die Welt sich untertan und bewohnbar machen, das erfordert Erfindungsgeist. Genau davon handelt, künstlerisch überformt und hocheindrucksvoll formuliert, die aktuelle Ausstellung im Luxemburger Musée d\'Art Moderne, kurz Mudam.

Luxemburg. Wie heißt es so schön: "Wenn es nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden". Dass menschliche Welten durchweg gut erfunden sind, lässt sich kaum behaupten. Erfindung bleiben sie dennoch. Mit der "Welt als Wille und Vorstellung" (Schopenhauer), mit der menschlichen Notwendigkeit, sich aus Fantasie, Philosophie und Überlebenswillen ein bewohnbares und lebenswertes Umfeld zu schaffen und sich dabei selbst und die eigene Welt immer wieder neu zu erfinden, beschäftigen sich auch die Kunstwerke der aktuellen Ausstellung im Luxemburger Mudam.
Eine angemessene Aufgabe, arbeitet die Kunst doch seit jeher an solcher Welterfindung mit, indem sie die bestehende Welt hinterfragt, sie weiter denkt und ihr neue Bilder schafft. Die Luxemburger Schau ist Ausdruck jener beiden sich durchdringenden Welten, der Alltagswelt und der geistig-seelischen Welt der Fantasie.
Es ist eine sehr gelungene Schau, die stärkste seit langem. Nicht nur, dass sich in den Arbeiten der knapp 20 Künstler prominente Werke finden wie Panamarenkos wunderbare Flugkörper, in dem sich der uralte menschliche Traum vom Fliegen darstellt. Die Luxemburger Schau belegt auch einmal mehr die innovative Energie und Frische, mit der das junge Team um Enrico Lunghi den Prachtbau des Mudams bespielt und ihn davor bewahrt, als Weihetempel zu erstarren.
Die Zeit in langen Strängen


Der Mensch als Maschinenbauer, Naturbezwinger, Haus- und Städtebauer: Fast stellt sich in dieser Schau so etwas wie eine zeitgenössische Prometheus-Sage dar, nur viel beschwingter, dazu in weiten Teilen von großem ästhetischem Reiz. Gleich im Eingang steht Conrad Shawcross grandiose Spinnmaschine "The nervous system", deren feinnervige Garnrollen die Zeit zu langen bunten Strängen formen. Ein prachtvolles Bild, das unzählige andere Bilder über die Zeit als große Wirkarbeit hervorruft.
Robert und Shana ParkeHarrisons herrliche Fotografien verbildlichen nebenan augenzwinkernd und poetisch, dass Erfinderwillen auch immer ein wenig Wahn und bisweilen eine Stück Absurdität bedeutet. Die künstlerische Qualität und Kunstfähigkeit der Alltagswelt belegen Chris Burdens "Mexikanische Brücke" , Vincent Ganivets Skulptur "Caténaires" aus Holzziegeln und Spanngurten und Nancy Rubins\' Schrottskulptur im Pavillon, die auch schon ein Klassiker ist.
Technik als absurdes Theater, die Maschine als Ausführungsgehilfin einer sich selbst befriedigenden Ideologie, präsentiert Jan Svankmajers politische "Masturbationsmaschine". Und dass auch die Zeit eine menschliche Erfindung ist, belegen Paul Laffoleys Zeitmaschine und Björn Dahlems Zeitmesser. Die schönste und sensibelste Arbeit dieser Ausstellung ist jedoch David Altmejds stille Vitrine "The Vessel". Das hauchdünne Netz darin, in dem sich Objekte aller Art fangen, einspinnen, ihre Form verändern, ist ein geradezu märchenhaftes Bild vom Überleben durch Wandel.
Die Ausstellung ist noch bis zum 15. Januar zu sehen. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 11 bis 20 Uhr, Samstag bis Montag 11 bis 18 Uhr. Kontakt: Telefon 00352/4537851, www.mudam.lu

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