Schuldgefühle

TRIER. (len) Aus dem Buch "Liebes Leid und Lust" las Amelie Fried im Simeonstift in Trier. Im lockeren Gespräch mit dem Publikum beantwortete die 1958 in Ulm geborene Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin Fragen zu Arbeit und Privatleben.

"Es sind recht viele Männer hier. Sind sie freiwillig gekommen?" Mit einem Lächeln setzt sich Amelie Fried hinter den altehr-würdigen Holztisch im Simeon-stift. Distanz zu ihren Zuhörern lässt die Autorin gar nicht erst aufkommen. In der Tat ist der Großteil der rund 150 Besucher weiblichen Ge-schlechts - nichts Ungewöhnliches bei den Lesungen der Schrift-stellerin, die auch die NDR-Talk-show "3 nach 9" moderiert und als Kolumnistin arbeitet. Fried liest aus ihrem aktuellen Buch, der Geschichte einer jungen Frau und eines alternden Psycho-therapeuten, die sich ineinander verlieben. "Sie sind hier ja auch ziemlich katholisch, oder?" fragt die Autorin und warnt vor einer relativ drastischen Sex-Szene zu Beginn der Lesung. "Wir können uns aber gerne nachher darüber unterhalten, warum die Szene so sein muss." "Liebes Leid und Lust" ist der fünfte Roman von Amelie Fried. Hanna, 25, leidet unter dem Jahre zurückliegenden Tod ihrer Schwe-ster, für den sie sich die Schuld gibt. Immer wieder bringt sie sich in Gefahr, sucht extreme Situationen auf. Nach einem Unfall bei einer Reise, der in den Augen ihrer Mutter ein Selbstmordversuch war, begibt sie sich - zunächst lustlos - in Behandlung. In ihrem Therapeuten André findet sie den Mann ihrer Träume. Auch er, nebenbei der Mann von Hannas bester Freundin, verliebt sich in sie und bricht deshalb die Therapie ab. Der Vorsatz, sich nicht wiederzusehen, hält nicht lange. Unerwartet treffen sich die beiden bei einem Ausflug. Die bloße Schilderung der Hand-lung von "Liebes Leid und Lust" lässt eine schwülstige Liebesge-schichte erwarten. Die Detailge-nauigkeit aber, mit der die Auto-rin die Charaktere aufbaut, verhindert, dass die Schilderungen ins Kitschige abgleiten. Denn Hanna und André sind keine Idealfigu-ren, sie haben - wenn auch in verdichteter Form - die gleichen Probleme wie zahlreiche Menschen. "Ich wollte nach dem Abitur Psychologie studieren, bin aber am Numerus Clausus gescheitert", erklärte Fried auf Nachfrage aus dem Publikum. Um Therapiesitzungen realistisch darstellen zu können, habe sie sich von einem Psychotherapeuten aus ihrem Bekanntenkreis beraten lassen. Mit Liebe zum Detail zeichnet die erfolgreiche Autorin auch die Orte, an denen sich die Figuren ihres Buches bewegen, das Innere einer heruntergekommenen asiatischen Imbissbude etwa, in der Hanna und ihr Stiefbruder Jo bei ihrer USA-Reise einkehren. Persönliche Beobachtungen fließen sowohl in die Bücher als auch in die Kolummnen, die Fried in einer Frauenzeitschrift veröffentlicht, ein. "Wieviel ist autobiografisch, wieviel Fantasie?", fragt eine Zuhörerin. "Das wüssten Sie jetzt gerne", gibt die Schriftstellerin spontan zurück, findet dann aber doch eine Antwort: "Nicht alles ist mein Alltag, vieles habe ich bei anderen Menschen beobachtet." Der Roman "Liebes Leid und Lust" von Amelie Fried ist im Heyne Verlag erschienen und kos-tet 20 Euro.

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