Schweiß und Freudentränen

BERNKASTEL-KUES. Während Götz Alsmann der Schweiß über das Gesicht rann, waren es beim Publikum Freudentränen. An zwei Abenden beglückte der Entertainer über 1000 Zuschauer.

Als Kind bekam Götz Alsmann von seinen Eltern eine Jahreskarte für den Allwetterzoo in Münster geschenkt. Ihn interessierten jedoch nicht die Tiere, die die Massen anlockten. "Ich ging immer nur zu denen, die nicht so populär waren." Ähnlich verhält es sich bei der Auswahl seiner Musikstücke. In seinem neuen Programm "Tabu!", mit dem der adrette Mittvierziger gestern und am Dienstag im Rahmen der "Mosel Festwochen" in der jeweils ausverkauften Mosellandhalle in Bernkastel-Kues auftrat, veredelt Alsmann bis zu 70 Jahre alte, deutsche Jazzschlager. Urlaubsgefühle kommen auf. Nicht nur weil es draußen immer noch über 30 Grad heiß ist. Alsmann singt von fremden Städten und fremden Schönheiten. Unterlegt sind die teils humorigen ("Fräulein Mabel"), teils exotisch-geheimnisvollen ("Nana"), manchmal auch etwas sülzigen Texte ("Ich fand ein Herz in Portofino") mit schleppenden, schwermütigen bis beschwingenden, temperamentvollen Jazzrhythmen. In jedem Fall ist Leidenschaft dabei. Alsmann hält es bei den feurigen Titeln kaum auf seinem Pianostuhl, er juchzt vor Glücksgefühlen und tritt aus wie ein wildes Pferd, dem man sich von hinten nähert. Michael Müller steht den Gefühlsausbrüchen seines Bandleaders in Nichts nach. Vor lauter Freude verzieht sich das Gesicht des hohlkreuzigen Bassisten oft bis zur Grimasse. Götz Alsmann und Band spielen nicht einfach ihre Stücke, sie durchleben sie. Der Posaunist Ludwig Götz schlüpft im Stück "Der Schlangenbeschwörer" gar in die Rolle der Schlange. Einen hypnotisierenderen Auftritt hat man seit "Kaa" aus dem "Dschungelbuch" nicht mehr gesehen. Zwischen den Titeln unterhält Alsmann mit Anekdoten aus dem Urlaub und aus der Ferne. Oder zieht auch mal lautstark deutsche Schlager orientalischen Inhalts zitierend durch die Publikumsreihen. Während dem dynamischen und rhetorisch versierten Entertainer in der recht angenehm klimatisierten Mosellandhalle der Schweiß über das Gesicht rinnt, sind es bei den Zuschauern Freudentränen, die ihnen die Wangen herunter laufen. Ebenso fließend sind die Übergänge zu den Stücken. So fordert Alsmann die Wiedereinführung des Schulfunks, bei dem er in der Sendung "English for Juniors" das Rüstzeug als Jazzsänger erworben habe. Sprachgewandt gibt er zum nächsten Titel mit "One, two, three, four" den Takt vor. Zeitgenössischen Tondarbietungen im Radio kann er allerdings wenig abgewinnen. "Sitzen Sie nicht auch manchmal vor Ihrem Rundfunkempfänger und fragen sich: Was soll das?" Dem Münsteraner stellen sich die eh schon empor frisierten Haare noch höher. "Heute gibt es doch nur noch Musik für Mädchen zwischen 14 und 18 mit Bauchnabelpiercing. Und wenn das Bauchnabelpiercing rausgeeitert ist, sind sie schon zu alt für den Sender." Für die swingenden Schlager von Alsmann und Band muss man nicht alt sein, auch wenn ein Großteil des Publikums in der Mosellandhalle zu deren Eröffnung vor 20 Jahren schön etwas länger volljährig war. Alsmanns Charme und Esprit sind zeitlos.

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