Schwere Kost am frühen Morgen

Trier · Ambitioniert und brillant: Jean Muller spielt Bach und Beethoven im Kurfürstlichen Palais Trier

 Brillant, aber noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Karriere. TV-Foto: Martin Möller

Brillant, aber noch nicht auf dem Höhepunkt seiner Karriere. TV-Foto: Martin Möller

Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Trier Sehr viel ambitionierter kann ein Klavierkonzert-Programm kaum mehr sein. Bachs Goldberg-Variationen und die Beethoven-Klaviersonaten op. 31,2 ("Der Sturm") und op. 101 stellen für den Interpreten, aber auch für die Zuhörer hohe Hürden auf. Schwere Kost jedenfalls für eine Matinee. Die Musikfreunde, unter ihnen eine starke und applausfreudige luxemburgische Fraktion, ließen sich davon nicht beeindrucken. Die Veranstalter vom Mosel-Musikfestival konnten beim Auftritt des luxemburgischen Pianisten Jean Muller im Trierer Kurfürstlichen Palais zufrieden ein volles Haus mit gut 200 Gästen vermelden.
Und Muller brillierte. Die zahlreichen fingertechnischen Finessen von Bachs Goldberg-Variationen, die für das zweimanualige Cembalo gedacht waren, gelangen ihm mit Bravour. Auch die tückischen Punktierungen im Scherzo der A-Dur-Sonate op. 101 und die polyphonen Strukturen in der Schlussfuge dieser Sonate bereiteten Muller keine Schwierigkeiten. Überdies spielte der Pianist komplett auswendig - bei diesen Kompositionen, die nicht einfach in den Fingern liegen, eine beeindruckende Gedächtnisleistung.
Bei solch herausgekehrter Virtuosität blieben allerdings etliche Zwischentöne auf der Strecke. Die Intimität der leisen, lyrischen Variationen bei Bach konnte Muller allenfalls durch das Hilfsmittel des linken Pedals andeuten, und das berühmte Instrumental-Rezitativ in Beethovens "Sturm"-Sonate wirkte zufällig und ohne rhetorische Kraft. Bei den Goldberg-Variationen schien es zeitweise sogar, als hätte sich Franz Liszt in Bachs Komponierwerkstatt eingeschlichen. Immer wieder klang in den brillanten Läufen etwas Etüdenhaftes mit. Zudem war Muller offenbar einen größeren Saal gewohnt. Im Kurfürstlichen Palais nahmen sich die leisen Passagen nur wie Vorstufen aus zum donnernden Dauerforte. So brillant Muller die Stücke auch bewältigte - Anschlagsdifferenzierung und Anschlagskultur sind noch ausbaufähig. Jean Muller hat den Höhepunkt seiner künstlerischen Entwicklung noch nicht erreicht.

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