Schwertkampf ist Team-Arbeit

TRIER. Wenn ab dem 16. Juni bei den Antikenfestspielen wilde Gladiatoren schwertkämpfend über die Bühne toben, dann hat Alexander Ourth einen wesentlichen Anteil am antiken Spektakel. Der 26-Jährige ist nicht nur Schauspieler, sondern auch Fecht-Choreograph.

 Auge in Auge mit dem Gegner: Fecht-Choreograph Alexander Ourth (rechts) arbeitet mit Gladiator Jan Krüger bei den Quo-Vadis-Proben im Amphitheater. Foto: Hans Krämer

Auge in Auge mit dem Gegner: Fecht-Choreograph Alexander Ourth (rechts) arbeitet mit Gladiator Jan Krüger bei den Quo-Vadis-Proben im Amphitheater. Foto: Hans Krämer

Wer zufälligerweise dieser Tage am Aushilfs-Probenraum des Theaters hinter der Tufa vorbei kommt, spürt augenblicklich den Drang, die Polizei zu rufen. Das Scheppern und Krachen, das Stöhnen und Kampfgeschrei, das dumpfe Geräusch zu Boden stürzender Körper, wie es aus dem Erdgeschoss-Fenster dringt, lässt auf gravierende Straftaten schließen. Mittendrin in dem Getümmel klirrender Waffen steht ungerührt ein junger Mann und lässt die Video-Kamera laufen. Ab und zu gibt er halblaute Anweisungen, die einem ahnungslosen Beobachter eher kryptisch vorkommen, bei dem halben Dutzend kampfkräftiger Athleten aber offenbar genau verstanden werden.Ausflug auf die andere Seite des Regiepults

Alexander Ourth probt für die "Quo Vadis"-Premiere bei den Antikenfestspielen. Meist steht der gelernte Schauspieler selbst auf der Bühne, aber diesmal hat er so viel Arbeit mit der Choreographie der Kampfszenen, dass er auf die andere Seite des Regiepults gewechselt ist. Vier Wochen hat er Zeit, die antike Schlachtplatte anzurichten - natürlich viel zu wenig, wie immer im Theater. Da tut es gut, dass ihm mit Jan Krüger heute fast zufällig ein kampfsport-erprobter Edelkomparse in den Probenraum geschneit ist. Sechs Mann umkreisen Jan, den Gladiator, in Zeitlupen-Geschwindigkeit, wiederholen Mal um Mal die Bewegungsabläufe, die ihnen Ourth vorgegeben hat. Eine echte Sisyphus-Arbeit. Schriftliche Choreographien wie beim Ballett gibt es nicht. Schrittfolgen und Schlag-Aktionen einzeln aufzuschreiben, sei "viel zu aufwändig", sagt der Luxemburger mit dem unüberhörbar sonoren österreichischen Akzent. Zumal bei derart großen Kampfszenen wie im Amphitheater, wo er sich "fast als eine Art Action-Regisseur" versteht. Er bespricht die Abläufe detailliert mit den Darstellern, nimmt Vorschläge auf und hält den gewünschten Ablauf für alle auf Video fest. Entscheidend sei, dass es dabei gelingt, "einen Kampf zu erfinden". Denn konkrete Anweisungen im Text gebe es selten. "Da steht einfach: Schwertkampf", lacht Ourth. Was daraus wird, wie es zum Charakter der Darsteller passt, das ist sein Job. Ein Job, den er unübersehbar liebt. Begonnen hat die Zuneigung während der Schauspiel-Ausbildung in Salzburg, wo Ourth als Sohn renommierter Eltern vom Fach im Schatten der Bühne groß wurde. Irgendwann pausierte der Fecht-Ausbilder an der Schauspielschule, der fechtbegeisterte Nachwuchsmime übernahm aushilfsweise den Unterricht für seine Kollegen - und blieb dabei. Eine Fechtszene für Hamlet war seine erste "echte" Choreographie, seither hat ihn diese "Nebentätigkeit" mit Säbel, Degen oder Samuraischwert nicht mehr losgelassen. Wenn er von der Faszination des Schwertkampfs auf der Bühne schwärmt, wirkt das ansteckend. Die Aktionen seien "dem Tanz näher als dem Kampf", sagt er. Nirgendwo könne man so gut "auf spielerische Weise mit starken Energien arbeiten, positiv, nicht destruktiv". Und dann kommt ein entscheidender Satz: Man brauche "das maximale Miteinander, um das maximale Gegeneinander zu zeigen". Hundertprozentige Koordination, Rücksicht auf den anderen, gemeinsame Präzision, um dem Zuschauer das Gefühl zu vermitteln, es werde hasserfüllt und wild gegeneinander gekämpft: Das habe, so Ourth, "fast schon etwas Schizophrenes". Aber offenbar auch etwas hoch spannendes. So spannend, dass der junge Mann mit den rotblonden Haaren neben seinen Rollen im Trierer Ensemble noch die Zeit findet, ein Buch über das Fechten auf der Bühne zu schreiben. Da sei in Deutschland eine Marktlücke, glaubt Ourth, anders als in den USA, wo es reichlich Fachlektüre gibt. Eigentlich wollte er nur Notizen machen, "um Ordnung in mein Hirn zu bringen". Aber nun könnte ein Standard-Lehrbuch daraus werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort