Science Fiction aus der Vergangenheit

Zeitreise mit Käpt'n Parsons: Das Alan Parsons Live Project wandelt beim Auftritt in den Trierer Kaiserthermen zwischen den Jahrzehnten und den Spielarten des Rocks. Der TV präsentierte das Konzert.

Trier. "Der ist sicher mit dem Schiff angereist", unkt ein Schreiber-Kollege, der zuletzt einigen Fans von James Last die Halsschlagadern wummern ließ, und weist auf Alan Parsons: Der Hüne sieht mit Vollbart, zum Pferdeschwanz gebundenem Haar und derbem Ledermantel aus wie eine Mischung aus rotem Piraten, Zirkusdirektor und Ivan Rebroff. Dafür sind seine Mitmusiker so gekleidet, als wären sie nur gerade zum Zigaretten-Holen vor die Tür gegangen. Selbst Aushilfs-Sänger Kip Winger, den man als Kopf der halbwegs erfolgreichen Metal-Band Winger fälschlich eher für den König der "Poser" gehalten hatte. Wie volksnah Pirat Parsons ist, zeigt er nach dem knapp zweistündigen Konzert - da erfüllt der Wahl-Kalifornier geduldig alle Autogrammwünsche. Der Kleidungs-Kodex mag zum Konzept gehören. Denn bei "seiner" Band steht der gelernte Produzent, mittlerweile 58, als Live-Musiker nicht an vorderster Front. Zumeist thront er mit Akustik-Gitarre auf seinem Podest. Gelegentlich spielt er Keyboard, manchmal singt er. Parsons taucht dabei mit seiner Band bevorzugt in die Anfangsjahre des "Projects" ein - und die Fans würdigen das Befeuern der Erinnerungen: Schließlich hatte die Mehrzahl der Zuschauer in den Thermen beim Debüt des Alan Parsons Projects im Jahr 1976 die Grundschule schon hinter sich. "Danke, dass ihr 1700 Jahre gewartet habt", ruft Parsons den 1300 Zuschauern in Anspielung auf die historische Kulisse zu. "Das war es wert", johlt einer zurück. Vergangenheit und Zukunft vereinen sich: So sind die Science-Fiction-Adaptionen vom Album "I Robot" inzwischen drei Jahrzehnte alt. Musikalisch geht es nicht immer düster zu: Auf atmosphärische Instrumentals wie Lucifer oder Sirius folgt mal Mainstream-Pop der 80er Schule. Mal kommt ein Hardrock-Element dazu, dann huscht ein Hendrix- oder Beatles-Zitat vorbei. Beim Gesang darf praktisch jeder in der Band mal ran. Homogen ist das nicht, aber auch nicht langweilig. Eine neue Seite klammert Parsons dabei fast völlig aus: Auf seinem aktuellen Album "A Valid Path" pluckert es so vehement elektronisch, dass manchem alten Fan beim Konzert wohl das Bier aus der Hand gefallen wäre. Parsons wandelt zwischen Anachronismus und Zeitlosigkeit. Aber nur wenige Songs husten den Staub der Jahrzehnte. Etwa das fast schon schunkelbare "Don't Answer Me". Dafür gibt es viele Momente, die den Auftritt in den Kaiserthermen zu etwas Besonderem machen. Etwa die Tatsache, dass nach dem angekündigten Open-Air-Ausstieg von Veranstalter Popp vielleicht zum letzten Mal eine internationale Größe im traumhaften Ambiente der Kaiserthermen ran darf. Auch die Band strahlt: "Psychobabble" wird gegen Ende immer dichter, bei "Prime Time" legt Gitarrist Godfrey Townsend zudem ein Solo hin, nach dem auch überzeugte Verachter sechssaitiger Nabelschau schon mal verlegen zu Boden schauen. Bevor es heim geht, ohne Schiff.

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