Sellerie und Sushi gegen Ehefrust

Luxemburg · Lifestylephilosophie und jede Menge Klischees: Im Luxemburger Grand Théâtre hatte Guy Helmingers Stück "Das Leben hält bis zuletzt Überraschungen bereit" Premiere.

 Martin Schwanda und Isabella Wolf als Toni und Grace überzeugen in Guy Helmingers Stück. Foto: Theater

Martin Schwanda und Isabella Wolf als Toni und Grace überzeugen in Guy Helmingers Stück. Foto: Theater

Luxemburg. Die Ehe sei die reaktionärste Institution nach den Banken, stellte vor Jahren ein Film von Carlos Saura fest. Wie vernichtend innovativ Banken inzwischen sein können, ist bekannt, und auch die bürgerliche Ehe dürfte erhebliche Kursverluste erlitten haben, was das Vertrauen in sie angeht. Einmal mehr bestätigte sich das in Luxemburg, wo Guy Helmingers Stück "Das Leben hält bis zuletzt Überraschungen bereit", Premiere hatte. Sozial unsensible, weltferne Finanzwelt in der Ehehölle, bis sie vom wahren Leben vernichtet wird - so die Kurzfassung der Geschichte von Broker Toni (Martin Schwanda), der mit der ehemaligen Stewardess Grace (Isabella Wolf) verheiratet ist. Die beiden leben in ihrem sterilen Eigenheim, schneeweiß und aus Klarsichtfolie gestylt von Andreas Lungenschmid.
Zu sagen haben sie sich schon lange nichts mehr. Ihre Kommunikation beschränkt sich auf Small Talk und gelegentliche Gewaltausbrüche. Selbst Tonis Eifersucht hat nichts mit Gefühl zu tun, einzig mit Besitzstandswahrung. Zu ihnen gesellt sich Broker Freund Jesus (Luc Feit), der nach Feierabend die Sinnfrage stellt und als der bürgerlichen Heiden Heiland der Hausfrau schon mal an die Wäsche geht. Ansonsten versucht er die Gestalt der Seele zu ergründen. Zur Verunsicherung des frustrierten Paars tragen die beiden blitzgescheiten Kinder (Jana Podlipna und Philipp Kraiczy) der Putzhilfe bei, zwei mentale Brandstifter, die am Ende wissen, wo der Hammer hängt, mit dem sie die Dienstherrin ihrer Mutter und deren Freund erschlagen. Das Ganze könnte ein bitterböses Gesellschaftsdrama geben.
Die Riesencollage, die Anna Maria Krassniggs Regie daraus gemacht hat, ist allerdings, trotz der guten Schauspieler, viel zu platt, um zu ergreifen. In diesem 100-minütigem Crashkurs aus Sozialkritik, Psychoanalyse und Philosophie wimmelt es von schicken Sinnsprüchen wie "Das Gebet ist kein Einkaufswagen". Was an Sitcom und schwarzem Humor vorhanden ist, wird durch Klischees und Überzeichnung plattgemacht. Der Sellerie kauende, Sushi verzehrende Broker, die Stewardess, deren mathematische Interessen sich auf die Länge des Genitals ihres Partners beschränken, die Bloody und Virgin Marys als Lifestyle Trost der Welt, die abgedrehten Kids: statt Weltsicht Soap. Bleibt am Ende: Vor Hausfreunden und hochbegabten Kindern von Hausangestellten wird gewarnt.
Info: weitere Vorstellungen am 14. und 15. November im Grand Theâtre, Luxemburg; am 18. und 19. November im Theater Esch-sur-Alzette, jeweils 20 Uhr.

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