Seltene Klangfülle und betörender Gesang

Luxemburg · Einen unvergesslichen Abend bereiten die New Yorker Philharmoniker mit Maestro Alan Gilbert und Gesangssolistin Joyce DiDonato den mehr als 1300 Zuschauern in der Luxemburger Philharmonie mit Werken von Ravel und Schostakowitsch.

Luxemburg. Vielsprachiges Stimmengewirr und freudig gespannte Erwartung herrscht am Donnerstagabend zwischen den hohen Säulen der Rotunde der Luxemburger Philharmonie. Die New York Philharmonic mit ihrem Dirigenten Alan Gilbert und die weltweit gefeierte Mezzo-Sopranistin Joyce DiDonato kommen zum Gastspiel aus der neuen Welt in das Zentrum des alten Europa und bringen Musik des frühen (Ravel) und aus der Mitte des 20. Jahrhunderts (Schostakowitsch) mit.
Zum Start gibt es "Valses nobles et sentimentales" von Maurice Ravel (1875-1937) aus dem Jahr 1911/1912. Dieser Abgesang auf die Walzerseligkeit von Strauss oder Lehár kommt in acht Stückchen daher, mal schwermütig, mal ruppig mit scharfen Bläser-Einsätzen. Gilbert wirft sich mit Schmackes und ausladenden Gesten in den Dreivierteltakt. Die Musik klingt wie Kaiserschmarrn mit Chili gewürzt. Solch eine Kombination gelingt nur den ganz großen Chefs. Ravels Rezeptur geht bei Gilbert allerdings auf. Die New York Philharmonics präsentieren sich als perfekt harmonierende Einheit, obwohl sie ein sehr großes Orchester sind. Die Celli kommen im Dutzend, gleich zwei Harfen werden eingesetzt, mehr als 30 Violinen glänzen.
Dann betritt die Luxemburg-Debütantin Joyce DiDonato, in lila Robe mit bunt-seidener Schärpe, die Bühne. Sie hat sich einen festen Platz unter den großen Diven unserer Zeit ersungen und interpretiert die "Shéhérazade" von Ravel; drei Lieder, die der in Kansas (USA) geborenen, 46-jährigen Ausnahmekünstlerin wie auf den Leib geschneidert und - wie es damals Mode war - asiatisch-orientalisch eingefärbt sind. Ihr helles Mezzo-Timbre erfüllt den Saal, perfekt ist die Modulation auch in den tieferen Lagen. Betörend gelingen auch die schwelgerischen Passagen. Ihr Gesang zeugt von musikalischer Reife, gepaart mit jugendlicher Frische.
Grandios meistert sie die äußerst schwierige Partie in exzellent akzentuiertem Französisch. Für den großen und minutenlangen Applaus bedankt sie sich herzlich und singt als Zugabe den "Morgen (... wird die Sonne wieder scheinen)" von Richard Strauss, natürlich auf Deutsch. Dabei begleitet sie die famose Sheryl Staples an der ersten Geige. Das Publikum seufzt ergriffen.
Nach der Pause dann die 10. Sinfonie in e-Moll op. 93 des Russen Dimitri Schostakowitsch. Komponiert im Jahre 1953 nach dem Tod des Diktators Stalin, darf dieses monumentale, fast einstündige Werk durchaus politisch als Abrechnung des verfolgten und geschmähten Komponisten mit dem Regime verstanden werden.
Aktuelle Bezüge zur russischen Gegenwart drängen sich auf. Die Musik zieht die über 1300 Zuschauer im ausverkauften Haus in ihren Bann. Die New Yorker unter der hochemotionalen Führung des ersten in der Stadt geborenen Chef-Dirigenten laufen zur Bestform auf, musizieren klar und transparent, auch in den bombastischen Tutti. Eine selten gehörte, meisterliche Klangfülle von den leisen Tönen bis zu den dramatischen Zuspitzungen. Stehender Applaus und Bravos für den Abend! DT

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