Seltene Musik und eine Riesengeige

Luxemburg · Ein überraschendes Programm unter dem Titel "Die Nordmänner kommen" haben die Solistes Européens Luxembourg (SEL) in der Philharmonie abgeliefert. Unter dem Dirigat von Christoph König glänzten auch die Solisten Renaud und Gautier Capuçon an Violine und Cello.

 Die Brüder Renaud (links) und Gautier Capuçon in der Philharmonie. Foto: SEL/François Zuidberg

Die Brüder Renaud (links) und Gautier Capuçon in der Philharmonie. Foto: SEL/François Zuidberg

Luxemburg. Die Solistes Européens sind eine Vereinigung von Musikern aus den besten Orchestern des alten Kontinents, die sich regelmäßig in Luxemburg treffen, um jeweils zwei Konzert-Zyklen pro Jahr miteinander zu spielen. Beheimatet in der Luxemburger Philharmonie, wird das SEL von Staat und Wirtschaft gefördert. Dirigent ist seit 2010 der junge Dresdner Maestro Christoph König.
Zum traditionellen Saison-Auftaktkonzert bieten die rund 60 Musiker am Montag in der ausverkauften Philharmonie vor über 1000 Zuschauern ein Programm, das überrascht: Als Auftakt gibt es ein spritziges Praeludium des Finnen Edvard Armas Järnefeld (1869-1958). Gute-Laune-Musik, die glücklich macht. Danach der große Auftritt der Brüder Renaud und Gautier Capuçon mit dem Konzert für Violine und Cello op. 102 von Johannes Brahms (1833-1897). Expressive Musik mit Anklängen an Zigeunerromantik, die dem gefühlvollen Cellospiel von Gautier und der virtuos konzen-trierten Guaneri-Geige von Renaud alle Möglichkeiten der Entfaltung bietet.
Brahms hatte die Stimmen der beiden Instrumente weitestgehend miteinander verwoben, er selbst sprach von einer "Riesengeige", die hier konzertiert. Die Capuçons nutzen das weidlich in den solistischen Passagen und im perfekten Zusammenspiel mit dem bestens disponierten Orchester.
Der zweite Teil des Konzerts ist als Überraschung gedacht. Noch während der 40-minütigen Symphonie stecken die Zuschauer die Köpfe zusammen und rätseln, was Orchesterchef Christoph König da wohl präsentiert. Auf dessen Nachfrage hin weiß allerdings niemand im Publikum die Lösung. Stilistisch erinnert die Musik an Mendelssohn, Anklänge der Wiener Klassik sind zu hören, manche Passagen erinnern an moderne Filmmusiken im Stile von Leroy Anderson, es gibt fulminante Paukenschläge als Ausrufezeichen.
Erstaunlich dann die Lösung, die König bietet: Es ist die dritte Symphonie, die "Singulière" des Schweden Franz Berwald von 1845. Dieser war zu Lebzeiten wegen seines originellen, modernen Stils vom schwedischen Publikum und Musik-Establishment abgelehnt worden und danach (fast) in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, wie sich zeigt. König und das SEL präsentieren die äußerst frische und schwungvolle Symphonie auf höchstem Niveau, herausragend spielt Konzertmeisterin Franziska Pietsch die erste Geige. Großer Applaus belohnt die Musiker. DT

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