Serie: Welterbe Trier Eine römische Grabstele, von Goethe bewundert

Die Trierer Welterbestätten existieren seit etwa 2000 Jahren und faszinieren bis heute. In einer Serie stellt der TV alle neun Stätten vor und fragt dabei auch, welche Rätsel sie noch aufgeben. Heute Teil 7: die Igeler Säule.

 Verwittert, aber noch zu erahnen: Die Spitze der 23 Meter hohen Igeler Säule wird bis heute bekrönt von einem steinernen Adler.

Verwittert, aber noch zu erahnen: Die Spitze der 23 Meter hohen Igeler Säule wird bis heute bekrönt von einem steinernen Adler.

Foto: Charlotte Kunz

Das idyllische Moseldorf Igel wäre sicher auch ohne seine Säule einen Stopp wert. Schließlich schmiegt es sich malerisch ein in die Flusslandschaft, ist umgeben von Weinreben und bietet von der Spitze des Pfarrkirchen-Hügels eine tolle Aussicht. Am Ende ist es aber doch das seit rund 1800 Jahren an unveränderter Stelle stehende römische Säulengrabmal, das dem Dorf eine historische Kontinuität verleiht, wie es bei nur wenigen Orten in Deutschland der Fall ist. Das bemerkte bereits Goethe 1792 während seines Aufenthalts in Trier und Umgebung, denn das Igeler Wahrzeichen beeindruckte ihn nachhaltig.

Gewaltige 23 Meter misst die Säule und reiht sich damit ein in die zahlreichen ähnlich ausgestalteten Grabmäler, die im 3. Jahrhundert in der Region Trier aufgestellt wurden, davon die meisten natürlich in und um die Metropole Augusta Treverorum, von denen überwiegend nur Bruchstücke übrig sind. Umso beachtlicher ist der phänomenale Erhaltungszustand des Igeler Grabmals, der lediglich dadurch erreicht werden konnte, dass eines der Reliefs im Mittelalter als Hochzeitsszene der Heiligen Helena interpretiert wurde, weshalb man von einer Zerstörung absah. Etwas Vergleichbares gibt es nördlich der Alpen nirgends mehr, zumal am Originalstandort.

Eine Ausnahme bildet dabei der sogenannte Drususstein in Mainz, der jedoch architektonisch völlig anders gestaltet und mit seinen wohl mehr als 2000 Jahren deutlich älter ist als die Igeler Säule. Gemeinsam ist beiden nur, dass es sich um Kenotaphe (Scheingräber) handelt, die lediglich der Erinnerung an Verstorbene dienen, nicht jedoch als deren Bestattungsort.

Errichtet wurde das Moseldorf-Monument um 250 n. Chr., vielleicht sogar etwas früher. In dieser Zeit war es bei reichen römischen Familien üblich, sich solche großen, farbig gefassten Grabstelen errichten zu lassen, was allerdings schon gegen Ende des 3. Jahrhunderts wieder aus der Mode geriet. Insofern ist die Igeler Säule Zeugnis einer relativ kurz währenden Phase, die aber prägend für die ganze Region gewesen sein wird. Diese war zur Römerzeit intensiv besiedelt, es gab unzählige landwirtschaftliche Betriebe, Weingüter und Villen. Letztere findet man heute noch beispielsweise in Longuich, Otrang und Mehring.

In Igel selbst und seiner Umgebung residierte vor 1800 Jahren die wohlhabende und erfolgreiche Tuchhändlerfamilie der Secundinier, die als ursprünglich keltische Treverer ein gutes Beispiel dafür darstellen, dass es hauptsächlich zu Römern „gewordene“ Kelten und nicht „originale“ Römer waren, die damals in der Region Trier lebten. Betrachtet man die zu großen Teilen ziemlich gut erhaltenen Reliefs an der Igeler Säule, erhält man einen Einblick in das Leben und Arbeiten sowie die Familienmitglieder der Secundinier. Bekrönt wird das Ganze von einer Skulptur, deren Schwingen noch den Adler erkennen lassen, der hier dargestellt sein soll. Von diesem Adler (aquila) wurde lange Zeit der heutige Name Igels abgeleitet, doch überwiegt inzwischen die Meinung, dass dieser vielmehr auf agulia zurückgeht, die römische Bezeichnung für Obelisken.

Um sich eine Vorstellung vom antiken Erscheinungsbild der Igeler Säule machen zu können, muss man den Ort letztendlich wieder verlassen, denn es ist der Innenhof des Rheinischen Landesmuseums in Trier, in dem seit über 100 Jahren eine farbige Rekonstruktion des Monuments steht.

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