Silberstreif und Happy-End: Warum wir seit Jahren "Last Christmas" hören - Musiktipps fürs Fest

Trier · 1984 veröffentlichte das Duo Wham die Single "Last Christmas". Seitdem ist kein Jahr vergangen, in dem es nicht zur Adventszeit in Dauerschleife läuft (der TV berichtete). Was aber ist dran an einem Lied, von dem alle - angeblich - genervt sind und dennoch nicht genug bekommen können? Der TV wagt eine Analyse.

Theologen zufolge ist Weihnachten das Fest des himmlischen Friedens. Familienanwälte sehen dies anders. Für sie beginnt das eigentliche Fest erst nach den Feiertagen. Dann, wenn frustrierte Partner scharenweise die Kanzleien stürmen, um die Scheidung einzureichen. Zu keiner Zeit des Jahres gehen mehr Ehen und Beziehungen zu Bruch als an den Weihnachtstagen.

Soweit die Fakten. Ja, es gibt sogar ein Weihnachtslied, ein einziges, das diese unangenehmen Tatsachen anerkennt: "Last Christmas" von Wham. Der Song beschreibt die ganz normale Jahresend-Tristesse: Partnerin macht mit Partner am zweiten Weihnachtstag Schluss - schöne Bescherung! Trauer, Wut, Enttäuschung. Es folgen die üblichen Wehklagen des Verlassenen, sinngemäß: "Du bist eiskalt, hast mich nur benutzt" (George Michael singt von "soul of ice").

So weit, so schlecht. Nicht unbedingt der Stoff, aus dem Evergreens sind, sonst wäre das todtraurige "Another lonely Christmas" von Prince, das ebenfalls 1984 erschien, ein Dauerbrenner - ist es aber nicht. Leid allein bringt keine Hits. Erst der Silberstreif sorgt für Goldene Schallplatten. George Michael, der Komponist von "Last Christmas", wäre nicht der größte Romantiker unter den Songwritern, wenn er nicht den Weg aus dem Elend heraus aufzeigen würde: "Dieses Weihnachten wird alles besser. Dann wird das Herz an die Richtige oder den Richtigen verschenkt" - Happy-End mit einem Jahr Verspätung.

Hoffnung für die Lädierten

Diese Botschaft aber kommt den Glückssuchern des 21. Jahrhunderts nur allzu bekannt vor. In der chaotischen postmodernen Welt, in der Partnerschaften durchschnittlich vier Jahre halten und rund jede zweite Ehe geschieden wird, wimmelt es von Enttäuschten. Von seelisch Lädierten und Beziehungsgeschädigten, die - wenn sie nicht verbittern oder zerbrechen wollen - immer wieder neu Hoffnung schöpfen müssen.

Das fällt oft schwer. Erst recht, wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt. Wenn von den guten Vorsätzen und Zielen, mit denen man gestartet war, nicht mehr viel übrig geblieben ist. Wenn Träume geplatzt sind. Dann braucht man einen Menschen, der einen auffängt, aufbaut oder wenigstens versteht. Einen wie George Michael, der seit 30 Jahren die passenden Worte findet und, wenn schon nicht für himmlischen Frieden, zumindest für den inneren Frieden sorgt.
Und falls es dieses Weihnachten wieder nicht klappt? Kopf hoch! Das nächste Fest der Liebe kommt bestimmt.

EXTRA
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