Sind wir nicht alle ein bisschen Immel?

Kennen wir das nicht längst? Die RTL-Show "Ich bin ein Star - holt mich hier raus" ist ein Quotenrenner. Dabei ist das Format mit halb-prominenten Dschungel-Campern längst ausgereizt.

 Dschungel-Camperin Isabel Edvardsson mag zur Freude mancher Fernseh-Zuschauer ausgiebiges Duschen. Foto: RTL

Dschungel-Camperin Isabel Edvardsson mag zur Freude mancher Fernseh-Zuschauer ausgiebiges Duschen. Foto: RTL

Trier. Der Dschungel ist dunkelgrün und saftig. Wild wuchernd, urtümlich, unberechenbar. Wenn das die Realität ist, steht das RTL-Dschungelcamp für das Gegenteil. Es verhält sich wie Bottrop zu Borneo. Grau, langsam, ungefährlich - mit der Erkenntnis: Jahre ändern nichts. Jeder ist austauschbar. Alles ist banal. Und zwar so banal, dass auch die Wiederholung nicht abstumpfen lässt. Weil man einfach vergessen hat, dass man das Gleiche bereits gesehen hat. 2008 ist eine Kopie von 2004, als der Kölner Sender zuletzt die Nicht-ganz-so-Berühmten durch sein Guantanamo scheuchte. Die gleichen Diskussionen sind längst geführt, die Zoten gerissen und die Schlagzeilen gezimmert. Das gilt auch für die guten Quoten: Abscheu, Mitgefühl und Häme verkaufen sich gut. Überlegenheit, Voyeurismus und Mitleid auch. Die Gefühls-Breitseiten schlagen noch ein. Obwohl rational gesehen längst die völlige Gleichgültigkeit eingesetzt haben müsste. Alles ist bekannt. Die geheuchelte "Ekel-Fernseh"-Aufregung des Boulevards ebenso wie der Prüfungs-Abklatsch, vielleicht auch die gleiche Kakerlaken-Dynastie. Die Kandidaten sind schon wegen ihrer überzogenen Erwartungen zum Scheitern verurteilt. Tragisch: Schlagersänger Bata Illic will Freunde finden. Die Ex-"Gina-Wild" das "Neinsagen" lernen. Ex-Bro'sis-Sänger Ross Antony möchte zeigen, dass sich hinter dem menschlichen Wasserfall ein harter Kerl verbirgt. Und die Sinnsuche wird ausgerechnet der Küblböck-Nachfolgerin Lisa Bund (19) zugemutet, die damit heillos überfordert ist. Die Superstar-Teilnehmerin hat zumindest ihre "Fanbase" dabei, als Fotos aufs Kissen gedruckt. Es mag trösten in einer Welt, in der es keine Shopping-Center und Castings gibt, dafür aber Ratten und DJ Tomekk. Für aufmerksame Beobachter ändern sich Marginalien. Moderator Dirk Bach geht langsam vom Doppel- zum Triple-Kinn über. Ex-Dschungelkämpfer Carlo Thränhardt heißt jetzt Eike Immel und Costa Cordalis nun Bata Illic. Aber sonst? Lachen können nur die Zyniker. Die mögen das noch zehn Tage dauernde Lager nutzen, um ihren langsam schwindenden Menschenhass wieder auf Vordermann zu bringen. Das Moderatoren-Duo Bach und Sonja Zietlow hilft gern mit. Schon der Titel "Ich bin ein Star - holt mich hier raus!" lässt sich kaum ohne Häme lesen. So muss man schon mit reichlich Verkäufer-Seele gesegnet sein, um eine Julia Biedermann ernsthaft als "Star" anpreisen zu können. Biedermann spielte vor gefühlten Jahrhunderten die Ober-Zicke in der Fernsehserie "Ich heirate eine Familie". Eine Reflexion findet auch bei den Fans des umstrittenen Formats statt. So bloggt eine "Linda" ihre schlichte Lösung, warum etwa Ross ständig Weinkrämpfe plagen: "Das liegt sicher daran, dass er schwul ist. Schwule sind eben sensibler als andere Männer. Deshalb lesen sie auch Bücher." Wieder mal ein Buch zu lesen - dieses fremde Gefühl kann auch manchen Hetero-Mann plötzlich auf der Couch befallen, wenn Barbara Herzsprung ins Palavern gerät. Wenn man aber genau sucht, lassen sich auch im größten Müllberg Preziosen entdecken. Etwa am Montag. Da lieferten sich Björn Schimpf und Herzsprung eine endlose Diskussion darüber, ob der Fisch zum Abendessen gebraten oder gekocht werden müsse. Die ewige Frage, die jede Leere besser dokumentiert als jeder "Spiegel"-Verriss. Wie ein Monty-Python-Sketch, verfeinert mit einem Schuss Realsatire.Was Feministinnen und Machos verbindet

Da schwirren die Fragen durch den Kopf. Kochen, grillen, braten - und warum sind wir überhaupt hier? Hier im Leben. Oder auch nur hier vor der Glotze, vor diesen Leuten? Schön, wenn es eine Antwort gibt. Wie etwa: natürlich nur, um der schwedischen Tänzerin Isabel Edvardsson beim Duschen zuzusehen. Da verschwestern sich deutsche Machos ausnahmsweise gern mit den schwedischen Feministinnen, die das "Oben ohne"-Recht für alle fordern. Schließlich sind wir alle gleich. Wir sind alle Stars. Männer und Frauen. Eikes und Immels. Ein gutes Gefühl.

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