Singin' in the rain

69 Jahre ist der Sänger Eric Burdon inzwischen alt, und sein Welthit "House of the rising sun" eroberte vor sage und schreibe 46 Jahren die Charts. Beim Open Air im Trierer Exhaus zeigte sich der "Animals"-Veteran erstaunlich frisch und fit.

Trier. 650 Leute sind trotz arg düsteren Himmels zur Exhaus-Sommerbühne gekommen. Mehr, als mancher erwartet hat. Aber doch nur ein Viertel der Zuschauer, die vor ein paar Wochen John Fogerty in der Arena sehen wollten. Dabei sind beide Stars der Sechziger, hatten etliche Welthits, durchlebten eine Karriere mit Höhen und Tiefen. Aber Fogerty war immer Mainstream, Burdon war es nie. Als Sänger so wenig wie als Mensch. Kein Typ für Hitparaden, eher eine Mischung aus Althippie, Blueser und Freak.

Das Publikum an diesem Abend sieht so ähnlich aus. Zumindest solange die Leute, in Anoraks und Regenmäntel gehüllt, der Trierer Vorband "Electric Mud" lauschen. Erst bei genauerem Hinsehen und nachlassendem Regen entpuppen sich die Gestalten hinter den Pelerinen als Schuldirektoren, Finanzamtsvorsteher, Uni-Kanzler oder Karnevalsvereinspräsidenten. Nicht alle, aber viele. Das Burdon-Publikum ist längst bürgerlich geworden, auch wenn es mit dem alten Rebellen auf der Bühne lautstark "It's my life, I do what I want" singt.

Burdon eröffnet den Abend fast augenzwinkernd mit "When I was young". Überhaupt strahlt er eine angenehme Selbstironie aus, ohne Rockstar-Posen und hyperaktive Show. Die Stimme braucht ein, zwei Titel zum Warmwerden, aber spätestens bei "Don't let me be misunderstood" funktioniert sie so sonor und kraftvoll wie eh und je. Der Sänger modelliert die Töne, spielt mit den Stimmbändern, und seine exzellente Band folgt ihm auf allen Pfaden, bewältigt auch komplexe Rhythmuswechsel, jammt auf hohem Niveau. Das macht allen Beteiligten sichtlich Spaß, auf der Bühne genau so wie davor.

Ins Intro von "San Franciscan Nights" webt der Spaßvogel Burdon spontan und witterungsgemäß ein "Singin' in the rain". Langsamer und schneller Blues, Rock'n Roll, ja sogar Reggae wechseln sich in flotter Folge ab.

Burdon, der "weiße Neger", den das Magazin "Rolling Stone" in seiner ewigen Bestenliste der "100 größten Sänger aller Zeiten" im Mittelfeld platzierte, setzt die schwarze Brille zum roten T-Shirt auf. Ein fast klassisches Akustik-Gitarren-Solo leitet eine grandiose Version von "House of the rising sun" ein. Kein gefälliger Mitsing-Schlager für Nostalgiker, sondern eine "Coverversion", die ganz neue musikalische Akzente setzt. Typisch Burdon, wie auch der Verzicht auf einige seiner populärsten Titel.

Bei der Zugabe dreht Burdon richtig auf



Als das offizielle Programm nach einer Stunde endet, denkt man einen Moment lang, der fast-70-Jährige müsse nun doch dem Alter Tribut zollen. Doch dann kommt er wieder, beinahe visionär, mit dem berühmten "We got to get out of this place".

Im selben Moment wandelt sich der Nieselregen zum Wolkenbruch, doch Burdon und seine Band kennen kein Pardon mehr: Man gönnt sich Solo um Solo, macht einen Ausflug in die Zeiten der Band "War", und als alle im Exhaus-Hof nass bis auf die Haut sind, dreht der Senior erst richtig auf. "We got some Rock'n Roll for you", ruft er, als mancher im Publikum nur noch an trockene Klamotten denkt. So möchte man mit 69 auch drauf sein.

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