Sinnlich, rotzig, wahrhaftig

Trier · Als wären sie für ihn geschrieben worden, hat Dominique Horwitz im Theater Trier Chansons von Jacques Brel interpretiert. Zusammen mit dem glänzend aufgelegten Philharmonischen Orchester der Stadt Trier bot der Schauspieler den insgesamt rund 1300 Gästen zwei berauschende, energiegeladene Konzertabende im Großen Haus.

 Dominique Horwitz singt die Chansons von Jacques Brel nicht nur, er lebt sie auf der Bühne und begeistert damit das Theaterpublikum. TV-Foto: Anke Emmerling

Dominique Horwitz singt die Chansons von Jacques Brel nicht nur, er lebt sie auf der Bühne und begeistert damit das Theaterpublikum. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Der trotz ausverkauften Hauses noch anhaltende Ansturm auf die Kasse des Theaters Trier deutet auf die ungebrochene Zugkraft von Jacques Brel (1929-1978). Er war ein Phänomen, ein Klassiker schon zu Lebzeiten, der Interpreten seiner Chansons eine hohe Messlatte hinterlassen hat.
Alles andere als bloße Kopie


Dominique Horwitz überwindet sie mit Bravour. Schon im temporeichen Eröffnungslied "Madeleine", das er, wie alle folgenden, humorvoll auf Deutsch einführt, weckt er den Eindruck, Brel wiederauferstehen zu lassen. Das allerdings nicht im Sinne von Kopie, sondern von Wahrhaftigkeit, mit der er an dessen Erbe herangeht.
Als habe er sie verinnerlicht, erweckt er all die Geschichten, die Brels Chansons erzählen, zum Leben. Der Saft, der es pulsieren lässt, sind seine eigene Persönlichkeit, sein Schauspieltalent, sein markanter mimischer und gestischer Ausdruck.
Eine Glanznummer ist beispielsweise das Lied "Je suis un soir d\'été". Horwitz\' stets deutlich artikuliertes Französisch mit dem rollenden "r" klingt immer gedehnter, er windet seinen Körper und fährt sich mit theatralischen Gesten an den Kopf - da ist er selbst der heiße Sommerabend.
In "Ces gens-là" trägt er wunderbar rotzig abgrundtiefe Verachtung gegenüber bigotten Mitmenschen zur Schau, als Säufer in "L\'ivrogne" die tragische Komik eines am Leben Gescheiterten. Horwitz interpretiert sinnlich und dynamisch, zieht seine Zuschauer hinein in eine Welt, in der Leid und Glück, Komik und Tragik, Schönes und Hässliches eng beieinanderliegen.
Ergreifend und auf den Punkt


Auch sattsam bekannte Titel wie "Ne me quitte pas" und "Amsterdam" geraten dabei auf eine neue Art ergreifend. Punktgenau getragen und verstärkt wird der Ausdruck von Horwitz\' Gesang und Darstellung vom großartig aufspielenden Trierer Orchester unter Generalmusikdirektor Victor Puhl. In facettenreichen Arrangements verschafft es den Chansons Atmosphäre und Kolorit, ob französisches Flair im Musette-Walzer-Stil oder lautmalerische Illustration in Form schräger Bläsertöne.
Als Solisten sorgen Jakob Neubauer am Akkordeon, Petar Entchev an der Mandoline und Ana-Maria Dafova am Klavier für stimmungsvolle Akzente. Die Zuschauer sind aus dem Häuschen, belohnen diese mehr als würdige Hommage mit nicht enden wollendem Applaus und stehenden Ovationen.

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