Skeptischer Blick auf gesellschaftliche Realität

TRIER. (ae) "Theater ist kein Ratgeber, aber es kann Finger in Wunden legen, aufrütteln und warnen." Das sagt Gerhard Weber, Intendant des Trierer Stadttheaters, zum Stück "Wellenreiter", das am Samstag seine deutsche Erstaufführung erlebt. Weber selbst führt Regie und will damit die Spielzeit zum Thema "Visionen" mit einem skeptischen Blick auf aktuelle gesellschaftliche Realität beenden.

 Unser Szenenfoto des Stückes "Wellenreiter" aus der neuen Schauspielproduktion des Theaters Trier zeigt Berater Zalberg (Klaus-Michael Nix, links), wie er Politiker Lalande (Jan Brunhoeber) und dessen Ehefrau Odile (Claudia Felix) mit den Verhältnissen im sozialen Brennpunkt vetraut macht. TV-Foto: Anke Emmerling

Unser Szenenfoto des Stückes "Wellenreiter" aus der neuen Schauspielproduktion des Theaters Trier zeigt Berater Zalberg (Klaus-Michael Nix, links), wie er Politiker Lalande (Jan Brunhoeber) und dessen Ehefrau Odile (Claudia Felix) mit den Verhältnissen im sozialen Brennpunkt vetraut macht. TV-Foto: Anke Emmerling

Aus zwei Gründen habe man das Stück Wellenreiter des 1963 geborenen französischen Autors Xavier Durringer in den Spielplan aufgenommen, sagt Gerhard Weber: "Es hat brennende Aktualität angesichts der Jugendunruhen in französischen Städten 2005, und es hat geradezu visionären Charakter." Passend zum Leitthema "Visionen" der aktuellen Spielzeit, denn Durringer habe in seinem 1999 geschriebenen Stück Entwicklungen prophetisch vorausgesehen. Doch seine "Vision" sei eher eine nihilistische Bestandsaufnahme: "Er reflektiert den Themenkomplex Fragwürdigkeit und Glaubwürdigkeit von Politik und Medien und spielt mit der Option wie es wäre, wenn sich Teile der Gesellschaft in einer Art Revolution herauslösen und einen Staat im Staat bilden würden", sagt Weber. "Aber Durringer kommt zum Schluss, dass sich auch bei einer Umkehr der Machtverhältnisse von unten nach oben nichts ändern würde." Er zeige das Bild eines Politikverständnisses, bei dem Menschen bar jeder Ziele auf Wellen mitritten oder sich gänzlich abwendeten: "Das Stück liefert keine Lösungen, aber einen Erklärungsansatz: Die politische Klasse hat sich von der Realität zu weit entfernt, und die untere Klasse beschäftigt sich nur noch mit körperlichem Selbsterhalt." Zwar sei die Subkultur mit ihrem zerstörerisch-kreativen Charakter in seiner Inszenierung farbiger gezeichnet, doch seine Regiearbeit folge dem skeptischen Blick des Autors ohne jede Idealisierung, sagt Gerhard Weber. Ihn persönlich fasziniere der fragile Boden des Stücks: "Man weiß nicht, was ist Realität, was Fiktion, was Zukunft." Und neben der skeptisch-visionären politischen Aussage reize ihn die Vielseitigkeit des "Wellenreiters" mit Liebesgeschichten und anrührenden Momenten. Ihn selbst zu inszenieren, sei ihm aber auch nach langer Regieabstinenz im Schauspiel ein Bedürfnis, sagt Weber: "Das war überfällig und hat gute menschliche Erfahrungen gebracht." Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Das Intendanten-Angestelltenverhältnis habe sich zugunsten einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe verschoben: "Es ist schön, dass Hierarchien mal wegfallen." Tatsächlich fällt in der Probenarbeit mit dem Ensemble ein höflich-respektvoller Umgangston auf. Auch zeigt sich eine stilistisch sehr klare Bildsprache, die Webers Anliegen, Theater möge die Fantasie anregen, unterstützt. Für die Laufzeit des Wellenreiter wünscht sich der Regisseur und Intendant "Aufgeschlossenheit, Neugier und Interesse des Publikums für ein Stück, das mit einer Warnung in die Zukunft weist". Die Premiere ist am 14. April um 19.30 Uhr im Großen Haus, weitere Vorstellungen sind am 21. und 25. April sowie am 4., 8. und 13. Mai. Inszenierung Gerhard Weber, Bühnenbild Gerd Hoffmann, Kostüme Claudia Casera, Dramaturgie Peter Oppermann. Es spielen Hille Beseler, Vanessa Daun, Claudia Felix, Verena Rhyn, Jan Brunhoeber, Manfred Paul Hänig/Ansgar Schäfer, Hans-Peter Leu, Klaus-Michael Nix, Michael Ophelders, Alexander Ourth, Peter Singer, Enrico Spohn und Tim Olrik Stöneberg.

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