"So etwas hätte ich nicht erwartet"

TRIER. Musik überschreitet Grenzen: Martin Folz ist künstlerischer Leiter des Trierer "Europäischen Zentrums für Chorkultur". In einem Konzert in der Abteikirche St. Maximin stellte er das Ergebnis einer europäischen Chorwoche mit jungen Menschen in Trier vor.

 Junge Menschen aus West- und Osteuropa trafen sich zum gemeinsamen Singen in Trier.Foto: Gerhard W. Kluth

Junge Menschen aus West- und Osteuropa trafen sich zum gemeinsamen Singen in Trier.Foto: Gerhard W. Kluth

Das "Europäische Zentrum für Chormusik" hatte junge Menschen zwischen 16 und 28 Jahren aufgerufen, eine Woche lang intensiv miteinander zu proben und zu leben. Die Idee fand nicht nur bei den Sängerinnen und Sängern anklang, sondern wurde auch von der Stadt Trier, der Landesgartenschau (LGS) und dem Kultursommer Rheinland-Pfalz unterstützt. Wie selbstverständlich richtete Leiter Martin Folz seinen Blick aber nicht nur nach Westen. Für manchen mag die Osterweiterung der EU zumindest wirtschaftlich bedenklich sein. Folz begreift sie als eine Bereicherung, weshalb er den Studentenchor "Dramma per Musica" aus dem polnischen Oppeln zusammen mit dessen Chorleiterin Elisabeth Trylnik zur Chorwoche eingeladen hatte. Stehende Ovationen gab es von den begeisterten Zuhörern, als die Auszüge aus Mikis Theodorakis‘ Mammutwerk "Canto General" erklungen waren. Kommentare wie: "War das mitreißend. So etwas hätte ich nicht erwartet" waren allenthalben zu hören. In der Tat hatte Folz es geschafft, aus dieser Gruppe jugendlicher Europäer einen aussagekräftigen Chor zu gestalten, dem die durch und durch politischen Anliegen der Komposition nach Texten des chilenischen Dichters Pablo Neruda ebenfalls ein Anliegen geworden war. Aber nicht nur die bittere Ironie und der beißende Sarkasmus, mit dem Neruda und Theodorakis gemeinsam gegen Unterdrückung und Ausbeutung zu Felde ziehen, erklangen überzeugend. Auch das Chorische war für ein Ensemble, das nur eine Woche lang zusammen gearbeitet hatte, weit mehr als erstaunlich. Intonatorisch konnten die jungen Sänger glänzen, Einsätze kamen präzise, dem Publikum wurde der Eindruck vermittelt: Dieses Team ist eingespielt. Gleiches galt für das Instrumentalensemble Canto instrumentale, das sich allerdings aus Profi-Musikern aus der Region Saar-Lor-Lux zusammensetzte. Sie litten lediglich ein wenig unter dem mangelnden Fingespitzengefühl des Tonmeisters, der die Verstärkerleistungfür Bass, Keyboard und Gitarren etwas zu basslastig gestaltete. Wie so oft wäre hier etwas weniger mehr gewesen. Das hätte auch den Chor noch mehr strahlen lassen. Die beiden Solistenrollen hatte Folz mit der Griechin Kassandra Virginia Dimopoulou (Mezzosopran) und dem französischen Bariton Benoît Giaux besetzt. Beide von den sängerischen Qualitäten eine gute Wahl, allerdings war Giaux der überzeugendere. Dimopoulou verfügte zwar über eine exquisite Stimme, klebte aber zu sehr an den Noten, als dass sie mit ihrem Kollegen hätte gleich ziehen können. Alles in allem ein überzeugendes Konzert, das weit mehr Besucher verdient hatte.

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