So klingt der Broadway - auf Deutsch

Trier · Götz Alsmann, Fackelträger des anspruchsvollen deutschsprachigen Schlagers, widmet sich nach Paris als Stadt des Chansons nun dem New Yorker Broadway und dessen Musical-Evergreens. Mit seiner Band hat Alsmann sie auf CD geb(r)annt - und zieht nun mit dem Programm durch Deutschland. Am Sonntag, 23. Oktober, schaut er auch in Trier vorbei.

Trier. An jeder Schule gibt es einen Nerd, der nicht nur klamottenmäßig, sondern auch musikalisch aus der Reihe tanzt. Der statt Rap lieber Free Jazz, statt Heavy Metal lieber Operetten und statt Adele lieber Marlene Dietrich hört. Am Johann-Conrad-Schlaun-Gymnasium zu Münster war das in den 1970er Jahren ein Junge namens Götz Alsmann, der auf eigenen Wunsch hin im Alter von acht Jahren darauf bestanden hat, Klavierunterricht zu nehmen.
Im Archiv der Ufa-Filmschlager


"Meine Eltern kannten nur einen, der Klavierspielen konnte, und das war ein Rentner aus der Nachbarschaft", erzählt Alsmann im Gespräch mit dem TV. Der führte den Knaben dann in die Geheimnisse von Fingersatz sowie Kreuz- und B-Tonarten ein. Und da der Nachbar kein ausgebildeter Pädagoge war, musste der kleine Götz sich noch eine Weile gedulden, bis er die höheren Feinheiten des Pianospiels beherrschte. Was er, wie unüberhörbar ist, zweifellos tut.
Den Swing und den Jazz hat er in die Finger bekommen und sie mit seiner Vorliebe für die U-Musik - im Englischen "Song", im Französischen "Chanson" und im Deutschen etwas despektierlich "Schlager" genannt (wobei das Wort zunächst durchaus positiv gemeint war, bezeichnete es doch eine Komposition, die bei den Hörern richtig eingeschlagen hatte) - zu einem eigenständigen Alsmann-Sound verschmolzen und diesen dem unermesslichen Melodienschatz übergestülpt.
Fündig wurde Alsmann zuerst im reichhaltigen Archiv der Ufa-Filmschlager, wo die klingenden Preziosen von Peter Kreuder, Theo Mackeben, Michael Jary oder Werner Richard Heymann um die Wette blitzten. Ohrwürmer wie "Bei dir war es immer so schön", "Ich liebe die Sonne, den Mond und die Sterne" oder "Sing, Nachtigall, sing", bei denen Großmutters und Großvaters Herzen schneller schlugen, hat er rhythmisch und harmonisch aufpoliert und sie durch die Zeitmaschine ins Heute transponiert. Kein Wunder, dass die Beschäftigung mit diesen Komponistengrößen dazu herausfordert, selbst kreativ zu werden.
Zahlreiche Songs, die Alsmann inzwischen fest im Repertoire hat, stammen aus seiner eigenen Werkstatt - und erweisen den Vorbildern ihre Reverenz. Zum Beispiel "Ich sing für Gertrud" - der Schlager, in dem fast alle guten deutschen Frauennamen Verwendung finden, erinnert an die geniale Albernheit eines Peter Igelhoff ("Ich bin ganz verschossen in deine Sommersprossen") oder an den ganz frühen verschmitzt-bubenhaften Heinz Erhardt, als der noch gesungen hat ("Mein Mädchen"). Und in "Kokettier nicht mit mir", im Duett mit Annett Louisan vorgetragen, blitzt unverkennbar Irving Berlins "Puttin' on the Ritz" durch. Womit dann auch die Brücke zum aktuellen Alsmann-Programm überschritten wäre.
Das Great American Songbook, diese unermesslich reiche und einfallsreiche Sammlung an Evergreens, zu denen unter anderem George Gershwin, Jerome Kern, Richard Rodgers und Cole Porter beigetragen haben, war nach der Beschäftigung mit den deutschsprachigen Komponisten die logische Fortsetzung einer musikalischen Weltreise, die über Paris an den Broadway führte. Alsmanns Konzept: so eng wie möglich an den Originaltexten entlang die Botschaft ins Deutsche zu übertragen. Dazu muss er allerdings auf bereits vorhandene Texte zurückgreifen, andernfalls er in eine rechtliche Grauzone geriete.
Würde er selbst zur Feder greifen, schildert er die komplizierte Situation, "wollen die Originalverlage nicht nur diese Übersetzung vorgelegt bekommen, sondern verlangen auch eine Rückübersetzung. Wenn die dann eine Version ablehnen, habe ich oft das Gefühl, die haben den Text entweder gar nicht gelesen oder nicht verstanden".

"Die drei Säuselbarden"


Wenigstens einen Text auf seinem neuen Album bekam er anstandslos an den Wortzerberussen vorbei, das titelgebende "Broadway" aus dem Jahr 1959, ein Gemeinschaftswerk von Henry Woode, Teddy McRae und Bill Bird. Und tatsächlich ist Alsmann das Kunststück gelungen, den Drive, die Hektik, das Atemlose und Pulsierende, das man gemeinhin mit dem Great White Way verbindet, in deutsche Laute einzufangen.
Auf dem Areal, das Götz Alsmann musikalisch pflegt, begegnen ihm nur wenige Mitstreiter. Daher die naheliegende Frage: Sieht er sich als Konkurrent oder freundlicher Mitstreiter von Max Raabe, dem anderen populären Hüter deutschen Liedguts? "Wir sind sehr freundliche Kollegen", versichert Alsmann und nennt auch gleich den Namen des dritten Künstlers, der deutschsprachige Lieder und Chansons zu seinem Anliegen gemacht hat: Ulrich Tukur. "Wir werden von der Kritik gern in einem Atemzug genannt", erzählt Alsmann. "Als ‚Bannerträger des alten Vor-Rock-Schlagers'", definiert er ihr gemeinsames Genre. Aber zusammen auf Tournee gegangen, analog zu den drei Tenören "als die drei Säuselbarden", wie Alsmann es ironisch umschreibt: "Nein, auf die Idee kam noch niemand." Und scheint prompt darüber nachzudenken, ob sie nicht in die Tat umzusetzen wäre …
Götz Alsmann tritt am Sonntag, 23. Oktober, in der Europahalle Trier auf. Karten gibt es im TV-Service-Center Trier, unter der TV-Tickethotline 0651/7199-996 sowie unter <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de/tickets" text="www.volksfreund.de/tickets" class="more"%>

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