Theater, Tufa und Mosel Musikfestival Wie es in der Corona-Krise hinter den Kulissen für die regionale Kultur weitergeht

Trier · Ausnahmezustand und Alltag: Wie Kulturmacherinnen und -macher aus der Region mit der Corona-Krise umgehen, was ihnen Hoffnung macht und welche Tipps sie fürs Abendprogramm zu Hause haben.

 Die große Leere: Kulturstätten – wie hier die Semperoper Dresden – sind wegen der Corona-Krise geschlossen.

Die große Leere: Kulturstätten – wie hier die Semperoper Dresden – sind wegen der Corona-Krise geschlossen.

Foto: dpa/Robert Michael

Das Kulturleben liegt brach: Kein Theater. Kein Konzert. Kein Kino. Keine Ausstellung. Jedenfalls nichts davon mit direktem Kontakt zu anderen Menschen. Für viele in der freien Szene, für Bands und Clubs, Veranstalter, Techniker, Kino-Betreiber ist die Corona-Krise absolut existenzbedrohend (der TV berichtete). Für Festangestellte im Kulturbereich ist die Situation zwar komfortabler – aber auch dort ist alles anders geworden. Theater-Intendant Manfred Langner über Chorproben in Zeiten des Kontaktverbots, Mosel-Musikfestival-Chef Tobias Scharfenberger über eine erfreuliche Solidarität, Tufa-Chefin Teneka Beckers über Theater-Tipps fürs Zuhause und Musiker Michael Kernbach über viele Absagen und etwas „Positives aus der Katastrophe“.

Manfred Langner:

Intendant, Theater Trier

Ungewohnte Zeiten für den Chef des Trierer Theaters. Seit über einer Woche arbeitet Intendant Manfred Langner von zu Hause aus. „Ich gehe zur Zeit nur ins Theater, wenn es wirklich notwendig ist. Da wir aber momentan weder spielen noch proben können, kann ich die ‚normale’ Schreibtischarbeit gut zu Hause erledigen“, sagt er. Da gebe es reichlich zu tun: „Nach der abrupten Unterbrechung unseres Betriebs muss umgeplant werden, offene Produktionen und Verträge sind ebenso zu klären wie der kommende Spielplan. Der war eigentlich schon fast druckreif und muss nun an die neue Situation angepasst werden.“ Mit seinem Team bleibt er „über alle Kanäle“ in Kontakt – hauptsächlich per Mail, WhatsApp und Telefon. „Wir arbeiten aber auch mit Programmen für Videokonferenzen. Martin Folz probt damit etwa aus der Ferne mit dem Chor, und unser Ballettmeister Joe Monaghan gibt den Tänzern ein ‚virtuelles’ Training. Klaus Michael Nix probt mit der in Tel Aviv in Quarantäne sitzenden Regisseurin Sara von Schwarze per Skype die Produktion ‚Ein ganz gewöhnlicher Jude’. Denn irgendwann geht es ja weiter.“

 Theater-Intendant Manfred Langner.

Theater-Intendant Manfred Langner.

Foto: Marco Piecuch

Bei allen Einschränkungen habe die aktuelle Arbeitsweise auch positive Seiten: „Ich bin mehr zu Hause und sehe meine Frau häufiger“, sagt Langner: „Ob sie das allerdings so positiv findet, weiß ich nicht ...“

Die Tipps vom Intendanten für die vielen Abende auf der Couch: „Den Fernseher auslassen, um nicht nur noch Corona-Nachrichten zu sehen. Stattdessen zur Unterhaltung etwa die Gereon-Rath-Krimis von Volker Kutscher lesen. Oder wenn man über die Zukunft nachdenken will: „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ von Yuval Noah Harari. Bei alledem nicht vergessen: Das Theater Trier zeigt auf den Social-Media-Kanälen kleine Clips und Filme unserer Künstler in der aktuellen Reihe Digitale Spielzeiten.“

Tobias Scharfenberger:

 Tobias Scharfenberger (Mosel Musikfestival).

Tobias Scharfenberger (Mosel Musikfestival).

Foto: Willy Speicher

Geschäftsführender Intendant  Mosel Musikfestival

Bei den Machern des Mosel Musikfestivals läuft seit über einer Woche alles dezentral, berichtet Intendant Tobias Scharfenberger. „Mein Arbeitsplatz befindet sich derzeit in meinem Arbeitszimmer bei meiner Familie in Essen, wo ich in der Regel morgens ab 9 Uhr, manchmal auch schon früher Mails bearbeite und mir Gedanken über das Festivalprogramm 2021 mache, Programmvorschläge von Künstlern und Agenturen sichte, Telefonate führe, Demo-CDs und Videos anschaue und mir überlege, in welchen Spielstätten welche Künstler mit welchen Werken am besten zur Geltung kommen“, sagt Scharfenberger. „Also alles relativ normal, bis auf den Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung, der mir bei dem schönen Wetter allerdings den Luxus beschert, am Spätnachmittag im Garten mit meiner Tochter Badminton spielen zu können.“

Es gebe vieles für den kommenden Sommer vorzubereiten und im organisatorisch-kaufmännischen Bereich zu erledigen. „Hier macht es sich sehr bezahlt, dass wir bereits im vergangenen Jahr begonnen haben, unsere Arbeitsplätze stärker zu digitalisieren, um flexibler arbeiten und reagieren zu können.“

Das MMF ist bisher nur im kleinen Rahmen von Absagen betroffen. „Unsere sehr erfolgreich gestarteten Programmvorstellungen mussten wir  vorerst aussetzen. Unsere Konzerte finden ja erst in den Sommermonaten von Anfang Juli bis Ende September statt. Wir sind also noch in großer Vorfreude und Zuversicht, dass das Mosel Musikfestival mit seinem diesjährigen, so abwechslungsreichen Programm wird starten können. Allerdings beobachten wir die Situation sehr genau und werden uns immer mit den Behörden abstimmen, was möglich ist und was nicht, und dann auch unser Publikum und unsere Partner entsprechend frühzeitig informieren.“

Der Opernsänger und Festivalmacher sieht – „bei aller Dramatik und dem Ernst der Lage“ – auch einige Aspekte, die Mut machen. Es habe eine gewisse Faszination zu beobachten, was passiert, wenn weltweit der Stecker gezogen wird. „Es ist keine weit entfernte oder abstrakte Krise, sondern es betrifft uns auf einmal alle, und es kommt auf jeden und jede Einzelne an. Menschen beginnen sich an Anordnungen und Regeln zu halten, die massiv in bürgerliche Freiheiten und Grundrechte eingreifen. Ich beobachte, wenigstens in meinem Umfeld, eine größere Freundlichkeit und Gesprächs- und Hilfsbereitschaft. Man interessiert sich auf einmal wirklich für die schwierige Lage eines Unternehmers, Gastronomen oder eines Künstlers. Ich staune auch über die große Kreativität, die Menschen in dieser Situation erwächst, um Geschäftsmodelle am Laufen zu halten, der Situation anzupassen oder doch in irgendeiner Form an Veranstaltungen teilhaben zu lassen“, so beschreibt es Scharfenberger. „Ich erfreue mich an den vielen humorvollen Posts und Nachrichten, die man in dieser Zeit der Ungewissheit miteinander austauscht. Ich stelle fest, wie viele Fahrten mit dem Auto, Reisen mit der Bahn oder auch der eine oder andere Flug doch nicht so nötig sind, ja, wie viele antrainierte Glaubenssätze auf einmal in Frage gestellt sind.“

Er sieht aktuell eine „große Solidarität mit Berufsgruppen“: „Es berührt mich sehr, wenn ich lese, dass beispielsweise die Ensembles des Bayerischen Rundfunks, das Gürzenich-Orchester Köln oder auch das Theater Hof, die engagierten Gäste und Solisten weiterbezahlen, obwohl die Konzerte und Aufführungen nicht stattfinden. Ich bin in der Tat dankbar, dass wir in einem Land leben, wo eine Vielzahl sozialer Sicherungssysteme in einer solchen Situation greifen oder sogar geschaffen werden, ganz anders beispielsweise als in den USA, wo ein Traditionshaus wie die MET zum Ende März den Betrieb und damit die Bezahlung sämtlicher Mitarbeiter einstellt.“ Corona wird noch lange ein Thema bleiben, da ist sich Scharfenberger sicher: „Ich glaube, diese Situation wird unsere Gesellschaften tiefgreifend und nachhaltig beeinflussen, auch dann noch, wenn gegen das Virus längst ein Impfstoff und Medikamente gefunden worden sind.“

Scharfenberger nutzt die freie Zeit, um sich durch die „Unmenge von CDs von Initiativbewerbungen zu hören“ und ein paar Bücher zu lesen, „die schon lange auf meinem Nachttisch auf die Lektüre warten, aber auch, um mich durch die wunderbare Welt der Podcasts zu hören“.

Empfehlungen hat er auch – etwa  eine der CDs für die einsame Insel: Murray Perahia – Bach Klavierkonzerte“ oder „Woman-Child“ von Cecile McLorin Salvant. Ein Lesetipp von ihm ist „Unverfügbarkeit“. „Ein Buch des großartigen Soziologen Hartmut Rosa, wie geschaffen für diesen Moment, in dem unser Getrieben-Sein von dem ,Höher, Schneller, Weiter’ sehr in Frage gestellt wird.“

 Tufa-Chefin Teneka Beckers. 

Tufa-Chefin Teneka Beckers. 

Foto: Dirk Tenbrock

Teneka Beckers

Geschäftsführerin der Tuchfabrik Trier

Ein Vorzug des Büros in den eigenen vier Wänden? Das Pendeln zwischen Dudeldorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm) und Trier entfällt für die Tufa-Geschäftsführerin. „Das erlaubt es mir, vor der Arbeit eine Runde mit dem Fahrrad über die Eifel-Berge zu drehen. In meinem Büro angekommen checke ich zunächst meine Mails und auch die der KollegInnen, die keinen Zugriff  auf ihre E-Mail-Postfächer haben. Derzeit finden noch viele Terminabsprachen mit Künstlern statt, denn auch die Termine aus dem Mai werden jetzt nach und nach verschoben, weil niemand wirklich davon ausgeht, dass im Mai ein Normalbetrieb wieder möglich ist, zudem aktuell keinerlei Karten verkauft werden. Außerdem informiere ich mich über die nun bestehende Möglichkeiten der Förderung und gebe diese Infos weiter“, sagt Teneka Beckers.

Daneben stünden die üblichen Verwaltungsarbeiten an. „Wir verteilen die Aufgaben, so dass gewährleistet ist, dass alle wichtigen Dinge weiter laufen können. Da momentan leider noch niemand abschätzen kann, wie lange die Corona-Krise andauern wird, ist es natürlich sehr schwierig zu planen. Wir verschieben die meisten Veranstaltungen derzeit ins Jahr 2021, auch deswegen, weil der Terminplan im Herbst sowieso schon sehr voll ist. Viele Veranstaltungen sind erstmal auf Eis gelegt, da müssen wir einfach abwarten. Sollte es im Sommer aber wieder möglich sein, Veranstaltungen durchzuführen, stellen wir uns bereits darauf ein, auch einige Dinge kurzfristig auf die Beine zu stellen.“

Das Positive an der Zwangspause? „Es ist schön zu sehen, dass alle  an einem Strang ziehen, um das Beste aus der Situation zu machen, und dass alle eine sehr große Flexibilität zeigen. Natürlich hat man außerdem mehr Zeit für Dinge, zu denen man sonst nie kommt. Positiv ist auch, dass man merkt, wie sehr einem der Austausch mit den KollegInnen vor Ort fehlt.“ Zudem sei es ein guter Zeitpunkt für das Team, angehäufte Überstunden und Rest-Urlaubstage abzubauen.

Für den Kulturabend zu Hause empfiehlt Teneka Beckers, sich auf nachtkritik.de umzuschauen. „Theaterjunkies finden dort einen kompletten Online-Spielplan der  Theater und Opernhäuser – und man kann fantastische Inszenierungen sehen. Natürlich ist das kein vollwertiger Ersatz für das Live-Erlebnis, aber zur Überbrückung in der Not doch sehr gut. Außerdem habe ich die zwischenzeitlich fast vergessene Kulturtechnik des Mit-Freunden-Telefonierens wieder entdeckt, da vergeht die Zeit wie im Fluge.“ Einen Lesetipp hat sie auch: „Lesen Sie unbedingt  Christian Barons ‚Ein Mann seiner Klasse’ – und freuen Sie sich schon jetzt auf die Lesung mit ihm in der Tufa, die dann sobald wieder möglich stattfinden wird.“

Michael Kernbach

Musiker, Autor

„Was man Positives aus dieser Katastrophe ziehen kann?“, antwortet Michael Kernbach auf die entsprechende Frage: „Wenn der Staat ernst macht und ausreichend Liquidität in die freie Szene gibt und es bis zum Herbst zu so etwas wie einer Normalisierung kommt – zumindest im „kleinen“ Bereich mit bis zu 200 Zuschauern – dann kann eine Konsolidierung gelingen“, sagt Kernbach. „Aber selbst dann wird nichts wieder so werden, wie es war.“ Mit etwas Optimismus kann er sich vorstellen, dass es insbesondere für noch nicht so erfolgreiche Künstler und Bands in Zukunft wieder leichter wird, ein Publikum zu erreichen. „Alleine schon, weil es bis zum Impfstoff sicher kaum Großveranstaltungen geben wird. Außerdem wird die Veränderung des Reisens möglicherweise positive Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Unterhaltung und Kultur in der eigenen Umgebung haben.“ Als „passonierter Entrepreneur“ verfolge er weiter die Projekte, die er schon in „Friedenszeiten“ angestoßen habe, „als Autor, als Netzwerker, als Projektmanager“. Kernbachs Schule für Rock und Pop in Bonn, Popfarm, ist Corona-bedingt geschlossen, sie setze aber jetzt auf Online-Angebote. „Ärgerlich ist für mich persönlich, dass ich gerade vermehrt in Musikprojekten als Basser unterwegs war, RADIO SHOW und meine CCR-Tribute Band „Fogger T.“, das wird beides wohl dieses Jahr nicht mehr stattfinden“, sagt Kernbach, der einst Gründungsmitglied von Guildo Horns „Orhopädischen Strümpfen“ war und der auch das Musiknetzwerk Trier mitinitiiert hat.

„Vielleicht gehe ich jetzt mein Hoppla!B.Benito-Soloalbum ‚Ernste Sache’ an, das ich schon seit Jahren aus Zeitmangel vor mehr herschiebe“, sagt Kernbach: „Das wird eine Hommage an die großen Liedermacher der 70er Jahre.“

 Michael Kernbach, Musiker und Autor.

Michael Kernbach, Musiker und Autor.

Foto: Michael Kernbach/unbekannt

Kernbachs Tipp in Krisenzeiten: „Macht was draus. Schreibt ein Kochbuch, lernt ein Instrument, hört mehr Beatles und ELO, sie haben es verdient. Es kommen andere Zeiten. Das wird spannend. Und nie vergessen, wenn schon irgendwo wegen eines lebensbedrohlichen Virus eingeschränkt sein, dann bitte hier in Deutschland.“

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