Socken verloren, Freunde gewonnen

Ein spontanes Treffen, eine beeindruckende Begegnung: Der TV sprach am Rande von "Tatort Eifel" mit der schwedischen Schriftstellerin und Journalistin Maj Sjöwall, die mit ihrem Mann Per Wahlöö in den 1960er Jahren die europäische Kriminalliteratur revolutionierte.

 Zählt zu den bedeutendsten Krimi-Autorinnen: Maj Söwall. Foto: KBV-Verlag

Zählt zu den bedeutendsten Krimi-Autorinnen: Maj Söwall. Foto: KBV-Verlag

Hillesheim. Schön, wie sie lacht - und wie gerne sie das offenbar tut. Zum Beispiel über die Sache mit der Socke: "Ich weiß gar nicht mehr, wie das kam", erzählt Maj Sjöwall mit leicht verschwörerischem Blick. Es passierte jedenfalls bei einem Autorentreffen in München vor einigen Jahren. Irgendwie gelangte damals eine von Maj Sjöwalls Socken in die Wäsche ihres Eifeler Kollegen Ralf Kramp. Und der hortet das gute Stück wie einen Schatz: "Die zieh ich nur bei Banküberfällen an."

Maj Sjöwall mag eine Legende der Kriminalliteratur sein, aber man kann sich mit ihr wunderbar über verlorene Wäschestücke unterhalten. Natürlich, Martin Beck: Die Romane um den Stockholmer Kommissar begründeten vor mehr als 40 Jahren den Ruhm des Autoren-Ehepaars Sjöwall/Wahlöö. Lange her, aber die heute 73-Jährige hat kein Problem damit, zum vermutlich tausendsten Mal zu erzählen, wie das damals war: "Diese zehn Bücher waren ein ernsthaftes Projekt. Wir wollten die politische und gesellschaftliche Situation darstellen", sagt sie. "Aber nicht in politischen Romanen - wir wollten Unterhaltung schreiben."

Das Ergebnis: Weltruhm, Millionenauflagen, zahlreiche Verfilmungen. Doch als das Projekt abgeschlossen war, starb Per Wahlöö. Maj Sjöwall begann wieder für Zeitungen zu schreiben, außerdem übersetzte sie Kriminalliteratur aus dem Englischen, Norwegischen und Dänischen. Ein gemeinsamer Roman mit dem Niederländer Thomas Ross blieb ein Einzelfall: "Ich habe nie mehr diesen Zwang gefühlt, mich hinzusetzen und konzentriert einen Roman zu schreiben", sagt die Autorin beim Gespräch im Hillesheimer "Kriminalhaus". "Und ich hatte bemerkt, dass ich es ein bisschen satt war, immer nur aus Pers und meinen Büchern vorzulesen." Dann lernte sie 1988 beim internationalen Krimifestival im spanischen Gijón ihren deutschen Kollegen Jürgen Alberts kennen. "Wir wurden schnell Freunde", erzählt sie - und literarische Komplizen, die zusammen Geschichten ausbaldowerten: "Anfangs haben wir uns unsere Texte gefaxt, jetzt haben wir dieses moderne Ding namens E-Mail." Das Ganze sei ein großer Spaß, sagt Maj Sjöwall. Und den sollen auch die Leser haben: "Es ist nicht ernst. Wir wollen die Leute zum Lachen bringen." Da darf es dann auch albern zugehen - alles nachzulesen in dem gemeinsamen, jetzt in Kramps KBV-Verlag erschienenen Band "Kriminelles Doppel", mit dem die beiden gerade erfolgreich auf Tour durch Deutschland sind: "Wir haben alle Bücher verkauft", sagt Jürgen Alberts. Der Verlag druckt bereits nach.

Im Buch findet man auch eine Kurzgeschichte, die gar nichts Kriminelles hat. "Das Mädchen, das nicht dünn werden wollte", von Maj Sjöwall alleine verfasst, im Auftrag von Schwedens größter Tageszeitung "Dagens Nyheter". Die Vorlage dafür habe ihre eigene Schwester geliefert, erzählt die Autorin: "Als sie noch klein war, war sie recht dick. Und unsere Eltern haben deshalb ihr Essen kontrolliert. Das hat sie sehr frustriert. Als sie dann erwachsen war, hat man festgestellt, dass es von einer Krankheit herrührte." Das Verhalten der Erwachsenen habe ihr damals sehr zugesetzt, weil es so grausam gewesen sei. "Also schrieb ich das für meine Schwester." Am Ende ist das dicke Kind verwaist - "und sehr froh darüber". Natürlich wisse sie, dass Übergewicht nicht unbedingt gesund sei. Aber etwas anderes sei noch wichtiger: "Du kannst glücklich sein, auch wenn du dick bist." Und was sagt Sjöwall zum großen Erfolg schwedischer Krimiautoren? "Die, die am meisten verkaufen, sind nicht sonderlich gut", antwortet sie. Namen? Gern: "Henning Mankell - so großartig ist der nicht. Ein überschätzter Autor. Leider hat er keinen Humor. Und Liza Marklund. Die kann überhaupt nicht schreiben." Stattdessen empfiehlt sie Leif G. W. Persson ("Sühne"). "Weil seine Bücher einen realistischen Hintergrund haben. Und zum Glück viel Humor." Eine weitere Empfehlung: Karin Alvtegen ("Schatten", "Scham", "Der Seitensprung"). "Eine sehr gute Autorin", sagt Maj Sjöwall. Allerdings habe die junge Kollegin ihrem Verlag jetzt ein Vermarktungsproblem bereitet: Ihr neues Buch will sie nicht als Krimi beworben sehen. Maj Sjöwall gefällt das. Sie lacht.

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