Spott, Heimweh, Sehnsucht

Luxemburg · Etwa 150 Zuschauer reisten im Théâtre National in Luxemburg mit Heinrich Heine und Franz Schubert durch das winterliche Ödland - mit Katja Riemanns und Arne Jansens Roadmovie "Winter".

 Katja Riemann und Arne Jansen. Foto: Bothor

Katja Riemann und Arne Jansen. Foto: Bothor

Luxemburg. Deutschland, ein Wintermärchen? Die Temperaturen draußen scheinen Heinrich Heine recht zu geben, um dessen gleichnamiges Versepos es an diesem Abend geht. Allerdings in Luxemburg, aber da ist es auch nicht wärmer. Dafür ist der Saal des Nationaltheaters gut aufgeheizt und so rappelvoll, dass Stühle dazugestellt werden müssen.
Ein Großteil des Publikums dürfte allerdings weniger wegen des Dichters gekommen sein, dem die Deutschen so übel mitgespielt haben. Eher wegen Katja Riemann, die dieser Tage noch als zwielichtige Tatortermittlerin ihr falsches Spiel trieb.
In Luxemburg präsentiert sie gemeinsam mit dem Gitarristen Arne Jansen ihr Roadmovie "Winter". Heines heimwehgetränkten satirischen Bericht seiner Reise von Paris nach Hamburg haben die beiden darin mit Franz Schuberts Liederzyklus "Winterreise" als konzertante Lesung kombiniert.
Wie das Ganze gemeint ist, wird gleich zu Anfang klar, wenn auf der Leinwand im Hintergrund zur Musik der Black Eyed Peas die Flocken in der Schneekugel treiben und Schuberts Profil und Heines zartes Gesicht im Schneegestöber verschwinden. Dann geht die Post ab und die Reise los, deren Stationen alle etwas von einem Kreuzweg haben. Aber einem, auf dem Ironie und gescheiter Witz Ausdruck von Schmerz, Wut und verschmähter Liebe sind. Übel war es dem jüdischen Publizisten und Juristen Heine und seinen europäischen Visionen in Deutschland bekanntlich ergangen.
Und so sind auch seine Reiseeindrücke, die Katja Riemann, die sich auf Drama wie leise Töne versteht, eindrucksvoll inszeniert. Von Mief, Deutschtümelei, Juden- und Franzosenhass ist die Rede, von Zensur und Rückwärtsgewandtheit. In all dem bissigen Spott weint Heines Heimweh, werden die tiefen Wunden sichtbar. Zwischen Heines Versen irrt Schuberts Wanderer mit seinen Liedern.
Da freilich klingt Katja Riemann rappend mal wie Will Smith und ein anderes Mal rauchig melancholisch wie Zarah Leander. Wenn sie nicht gerade Melodica, Blockflöte, Trommel oder Mini-Klavier spielt. Mit Schubert hat das allerdings wenig zu tun. Dagegen sind der vorzügliche Arne Jansen und sein Instrument, die ganze Zeit nicht nur eindrucksvolle, sondern auch höchst einfühlsame Mitreisende.
Meistens bleibt sie unterhaltsam, die sommerliche Winterreise. Manchmal hat sie allerdings auch etwas von jener gebratenen Gans aus Hagen, von der Heine berichtet, sie habe eine schöne Seele, aber zähes Fleisch.

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