Stardirigenten im Doppelpack, La Bohème im Pub, Spider-Man in Nöten und Bob Dylan in Mainz

Mainz · Normalerweise lautet die Devise bei den Superstars am Dirigentenpult: "Es kann nur einen geben." Die Taktstock-Diven pflegen einander aus dem Weg zu gehen, vor allem, wenn sie in früheren Jahren um die gleichen Chefsessel konkurriert haben.

Um so sensationeller wurde am Dienstag in Berlin ein gemeinsames Konzert von Staatskapellen-Direktor Daniel Barenboim und seinem Kollegen Simon Rattle (Berliner Philharmoniker) empfunden. Rattle dirigierte Barenboims Staatskapelle, Barenboim spielte Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 als Solist unter der Leitung des Kollegen. Es gab vorher demonstrative Umarmungen und hinterher monumentale Ovationen. Die Einnahmen kommen der Sanierung der Staatsoper zugute.

Die Londoner OperaUpClose käme kostenmäßig schätzungsweise mit einem Promille des Budgets der großen Lindenoper aus. Und doch hat die kleine, private Company den britischen Theater-Oscar, den "Olivier Award" gewonnen. Und zwar für die Aufführung von Puccinis "La Bohème" in einem kleinen Pub-Theater im Stadtteil Kilburn - mit gerade mal 35 Sitzplätzen. Bei der Preisverleihung setzte sich das ausschließlich durch Spenden finanzierte Ensemble gegen millionenschwere Produktionen etwa des Royal Opera Houses durch.

In New York ist man finanziell noch etwas freigiebiger: Für "Spider-Man", die teuerste Musical-Produktion aller Zeiten, gibt man geschätzte 50 Millionen Euro aus. Was aber keine Garantie ist, dass die Chose klappt. Die Premiere wurde diese Woche zum sechsten Mal verschoben, vorläufig auf den 14 Juni. Am Broadway pflegt man aber auch aus Debakeln gute Geschäfte zu machen: Seit November laufen "Vorschauen", also eine Art öffentlicher Proben. Bei Kartenpreisen von bis zu 200 Euro sind sie restlos ausverkauft und spülen einen Wochenumsatz von fast einer Million Euro in die Kassen.

Ob das auch eine Einnahmen-Lösung für notleidende deutsche Theater wie das in Cottbus ist? Wohl eher nicht. Dafür sind die Stücke und Themen dort nicht gefällig genug. Wie zum Beispiel bei der Tanztheater-Produktion "Und der Haifisch, der hat Tränen" über einen jugendlichen Amokläufer, die morgen uraufgeführt wird. Choreograph ist ein guter Bekannter, nämlich der Trierer Tanz-Chef Sven Grützmacher. Anstoß für seine aktuelle Inszenierung war der Amoklauf von Winnenden.

Zu der Wahnsinnstat vor zwei Jahren fiel seinerzeit sogar den Kleinkünstlern nichts mehr ein, die sonst um Kommentare zum Zeitgeschehen nie verlegen sind. Die Zunft der Kabarettisten, Liedermacher und Satiriker traf sich am Sonntag in Mainz zum jährlichen Gipfel rund um die Verleihung des deutschen Kleinkunstpreises. Ausgezeichnet wurden der schräge Chansonnier Rainald Grebe und der Kabarettist Frank Lüdecke.

Nach Mainz kommt, wie diese Woche bekannt wurde, demnächst auch Bob Dylan. Dessen Gesangskünste stuft zwar mancher ebenfalls als schräg ein, aber nicht der Kleinkunstpreis zieht den Urvater aller Liedermacher an, sondern ein Openair am 25 Juni im Volkspark. Die Fans dürfen gratulieren: Kurz vorher feiert der Altmeister seinen siebzigsten Geburtstag.

Dieter Lintz

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