Geschichte Frauenpower im geistlichen Mittelalter

Bernkastel-Kues · Starke Frauen machten im Mittelalter ihre Klöster zu Orten von Bildung, Kultur und Wohlstand.

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Foto: TV/Hartmann, Simon

Frauenpower bestimmte im Kloster Machern beim Bernkastel-Kueser Stadtteil Wehlen, was Sache war. Ausgestattet mit reichem Grundbesitz und umgeben von wertvollen Weinbergen, schufen sich die adeligen Nonnen und ihre Äbtissin im Mittelalter hier ihr eigenes Herrschaftszentrum. Bereits im Jahr 1084 wird ein Frauenkloster Macra dort urkundlich erwähnt. Die Regel des Zisterzienserordens nahmen die Klosterfrauen allerdings erst im Jahr 1240 an, wohl als „Töchter“ der nahen Abtei Himmerod.

Frauenklöster waren innerhalb der mittelalterlichen männlichen Herrschaftsstrukturen quasi Enklaven weiblicher Eigenständigkeit. Abgeschottet von der Welt, schafften sie Frauen Raum, um mit der Welt zu kommunizieren und Einfluss auf sie zu nehmen. So wie die Reichsäbtissin Hildegard von Bingen, die sich in die Politik einmischte, als erste Nonne öffentlich predigte und mit ranghohen Zeitgenossen korrespondierte, darunter der Mainzer Erzbischof Heinrich von Mainz und Kaiser Barbarossa, den sie der Legende nach sogar getroffen haben soll.

Auch die einzige überlebende Schwester Karl des Großen, die Äbtissin Gisela, war eine höchst einflussreiche Frau. Aus ihrem Kloster Chelles bei Paris hielt sie engen Kontakt zum Hof ihres Bruders und pflegte eine enge Brieffreundschaft zu dem berühmten englischen Gelehrten Alkuin, einem Vertrauten des Kaisers. Dass die klösterlichen weiblichen Herrschaftssysteme nicht selten dieselben Verwerfungen zeitigten, wie männliche Machtstrukturen, versteht sich fast von selbst.

Aus freien Stücken nahmen die wenigsten Frauen den Schleier als „Braut Christi“. Dass Töchter gegen den erbitterten Widerstand ihrer Eltern Ordensfrau wurden, wie die legendäre Yolanda von Vianden im 13. Jahrhundert, dürfte eher die Ausnahme sein. Die willensstarke Grafentochter, deren Geschichte die literarische Tradition der Luxemburger Sprache begründet, hatte eine Heirat verweigert, um stattdessen als Nonne zu leben. Selbst ein jahrelanger Arrest auf der Burg Schönecken konnte die widerständige Adelige nicht umstimmen. Schließlich ließen ihre Eltern sie ins Luxemburger Kloster Marienthal ziehen, eine Empfehlung des Priors der Dominikaner in Trier, Walther von Meisenburg.

Meistens waren familenpolitische oder strategische Gründe die Ursache für den Eintritt ins Kloster. Bisweilen wurden die Mädchen schon als Kinder oder Jugendliche dorthin gebracht. Die Entsendung ins Kloster entlastete nicht nur das Haushaltsbudget. Manch ein Elternpaar erhoffte sich vom frommen Leben der Tochter auch Vorteile für das eigene Seelenheil. Zudem standen die wohlhabenden Klöster und adeligen Stifte für die lebenslange Versorgung der unverheirateten Töchter des Adels zur Verfügung. So in der klösterlichen Abgeschiedenheit dem weltlichen Leben entzogen, war bei vielen der Frauen die geistige Ermächtigung umso stärker.

In der Mystik suchten die „Bräute Christi“ Gottesnähe. Allen voran Hildegard von Bingen, die ihre gesamte Gelehrsamketi und alle ihre Erkenntnisse auf Visionen zurückführte. Überhaupt waren die Frauenklöster Orte der Bildung und des kulturellen Willens. Nach Ansicht von Fachleuten übertrafen sie darin im frühen Mittelalter sogar die Männerklöster. Großartige Kunstwerke wurde aus den Frauenklöstern in Auftrag gegeben, wie das weltberühmte karolingische Trierer Ada Evangeliar, das die namensgebende Äbtissin, wohl eine Angehörige des fränkischen Hochadels, in der Hofschule Karls des Großen anfertigen ließ.

Hildegard selbst dichtete, nahm Einfluss auf die Musik und verfasste neben theologischen auch naturwissenschaftliche Schriften. Auch anderswo förderten geistliche Frauen Bildung und Kultur, nicht zuletzt bei Frauen. Mit ihrem „Hortus Deliciarum“ erstellte Herrad von Landsberg, die Äbtissin des elsässischen Klosters Hohenburg, als erste Frau eine umfassende Enzyklopädie zur Unterrichtung von Klosterfrauen. In den Frauenklöstern lernten die Mädchen und Frauen zudem lesen und schreiben, was über das Mittelalter hinaus, selbst bei Adeligen und wohlhabenden Bürgerfamilien nicht selbstverständlich war.

Neben ihrem unbestreitbaren Rang als Zentren von Bildung und Kultur waren Klöster auch komplexe Wirtschaftsunternehmen. Auch da standen kompetente wie kunstsinnige Klosterfrauen ihren Mann, die den Ausbau der Klosteranlage vorantrieben und geschäftstüchtig Gewinn machten.

Als ausgesprochen innovative Powerfrauen mit ausgeprägtem unternehmerischem Gespür bewährten sich auch die mittelalterlichen Klosterfrauen von Machern. Rührig mehrten sie Gottes Ruhm und das Vermögen der Abtei. Die geistlichen Business-Frauen ließen sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Zahlreich dokumentiert sind ihre Rechtshändel um Landbesitz und Schanklizenzen. Geschickt erwarben sie Ablassbriefe und Kirmesrechte. Mit seiner günstigen Lage gegenüber dem damals wichtigen Moselhafen Rachtig wurde das Kloster zur Station für Händler und Jahrmärkte aller Art. Das Geschäft mit dem Pilgertourismus zu den Reliquien in der hauseigenen Kirche florierte. Opulente Ländereien, Weinberge in Spitzenlagen und eine prachtvolle Ausstattung besaß das Kloster in seinen besten Zeiten. Ein stattliches „Silberwerk“ weist die Inventarliste von 1478 aus. Darunter: sieben Kelche, Kreuze und Kannen dazu eine „Schael , da die Juffern usnutzen, wann sie kommunizieren“.

 Kloster Machern, eine der mittelalterlichen Wirkungsstätten starker Frauen.

Kloster Machern, eine der mittelalterlichen Wirkungsstätten starker Frauen.

Foto: Eva Maria Reuther/Eva-Maria Reuther
 Die Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des „Liber Scivias“ (auf Deutsch: „Wisse die Wege“) zeigt, wie Hildegard von Bingen eine göttliche Inspiration empfängt und an ihren Schreiber weitergibt.

Die Miniatur aus dem Rupertsberger Codex des „Liber Scivias“ (auf Deutsch: „Wisse die Wege“) zeigt, wie Hildegard von Bingen eine göttliche Inspiration empfängt und an ihren Schreiber weitergibt.

Foto: Codex Liber Scivias/Codex Liber Scivias/Wikipedia

Weniger Beachtung schenkten die geschäftstüchtigen Nonnen und ihre Äbtissinnen allerdings wohl den Büchern. Was einen Zeitzeugen zu dem bis in der jüngere Vergangenheit bestehenden Vorurteil verleitete, dass unter Frauen die Wissenschaft naturgemäß keine Rolle spiele. Was den großen und nicht eben zimperlichen Nikolaus von Kues wohl nicht störte. Als er 1460 zur Visitation vorbeikam, kam er nicht umhin, den starken Frauen von Machern Respekt zu zollen.

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