Auftakt Moselmusikfestival Eine Lektion im Glücklichsein

Trier · Mit einem fantastischen Konzert wurde am Sonntag das moselmusikfestival 2023 in Trier eröffnet. Mit dabei Starpianist Martin Stadtfeld und das Staatsorchester Rheinische Philharmonie.

 Erlebten einen fantastischen Auftakt des Mosel Musikfestivals: die Konzertgäste in  St. Maximin.

Erlebten einen fantastischen Auftakt des Mosel Musikfestivals: die Konzertgäste in  St. Maximin.

Foto: Hans Kraemer

Schwarz gekleidet und völlig versunken ins Gespräch mit der Musik und sich selbst sitzt Martin Stadtfeld oben am Klavier in der einstigen Trierer Abteikirche von St. Maximin. Um ihn herum als musikalische Dialogpartner die Musiker des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie. Gemeinsam gestalten sie an diesem Sonntagnachmittag das Eröffnungskonzert des Mosel Musikfestivals 2023.

Der aus Koblenz stammende Starpianist, der auch enge familiäre Verbindungen in die Eifel hat, ist nicht nur ein brillanter Techniker. Unter den Händen des Pianisten, der sich längst in die Oberliga seines Instruments gespielt hat, wird jedes Stück zum tief berührenden Charakterstück, in dem sich das Wesen der Musik mit dem des Interpreten zu neuen Einsichten verbindet. Wer Stadtfeld wie am Sonntag in Trier zuhört und zusieht, der ist gleichermaßen betroffen und beglückt, geistig und sinnlich zu erleben, wie sich in der Musik Menschlichkeit veräußert. Dazu gleich mehr.

Erstmal zum Anlass: Mit einem fantastischen Auftakt begann das Mosel Musikfestival 2023 in der bereits erwähnten Kirche der einstigen Reichsabtei St.Maximin. Ein erwartungsfrohes Publikum hatte den Saal fast vollständig gefüllt. Und da der Start des ältesten und größten rheinland-pfälzischen Musikfestivals zu den absoluten Highlights des rheinland-pfälzischen Kulturlebens gehört, war wie immer allerhand Prominenz vor Ort. In Vertretung der Schirmherrin Ministerpräsidentin Malu Dreyer war aus Mainz Staatssekretärin Heike Raab zur Eröffnung angereist, die bei ihrem Grußwort auf den europäischen Gedanken des Kultursommers hinwies, zu dem das Festival einen wesentlichen Beitrag leistet. Besondere Freude über die neue Festival-Kooperationn mit einigen luxemburgischen Gemeinden äußerte der Trierer Kulturdezernent Markus Nöhl.

Dass klassische und beglückende Musik das Leben verlängert, war unlängst in der amerikanischen Kult-Serie Navy CIS aus ärztlichem Mund zu erfahren. Festival-Intendant Tobias Scharfenberger weiß auch warum und stützt sich dabei auf neurowissenschaftliche Expertise. Musik wirke wie der „Glücksbote“ Dopamin, der beim Genuss von Schokolade, gutem Sex und Drogen durch das Gehirn ausgeschüttet werde, stellte der Intendant zur Freude des Publikums fest.

Ausgerüstet mit solchem Glücksversprechen begann das Konzert in bester Stimmung. „Zu neuen Welten“ will das Mosel Musikfestival in diesem Jahr aufbrechen. Ein ausgesprochen intelligentes Programm hatten die Veranstalter dazu zusammengestellt. Erstmal ging es darin mit Felix Mendelssohn-Bartholdys Konzertouvertüre „Die Hebriden“ op.26 stürmisch in die Ferne nach Westen gemäß dem Motto des Kultursommers. Eine schlüssige Einstimmung auf das Highlight des Nachmittags: Mozarts großartiges Konzert für Klavier und Orchester Nr.24, c-moll KV 491, das weit in die neue Welt der Romantik vorausweist und doch kompositorisch nicht die barocke Tradition verleugnet. Mit Martin Stadtfeld und dem Orchester aus Koblenz unter der Leitung seines hochengagierten Dirigenten Paul Goodwin hatte Mozarts Meisterwerk wunderbare Treuhänder. Man kann sich jetzt hier über herrliche Triller, eindrucksvolle Akkorde, prägnante Anschläge und virtuose Läufe begeistern.

Aber das allein macht weder die Faszination noch die Dringlichkeit von Stadtfelds Kunst aus. Der 42jährige Pianist entwickelt sein Spiel ganz aus dem Geist der Musik mit dem Verständnis für das rechte Maß an Individualität wie an Abstimmung mit dem Orchester. Dabei beherrscht er eine eindringliche dramatische kon­troverse Rhetorik, gleichermaßen wenn es um das eigene innere Ringen geht, wie um die Kommunikation mit seinen orchestralen Dialogpartnern. Mit wunderbarer Delikatesse erklang das Larghetto, voller Seelentiefe, aber auch voller Einsamkeit. Wenn Stadtfeld die Töne leuchten oder klagen macht, leuchtet und klagt die Seele. Man kann Mozarts Konzert – das wurde einmal mehr in St. Maximin deutlich – als eine musikalische Überlegung über das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft lesen, wie über das leuchtende wie tragische im menschlichen Dasein mit seinem Glück und seinen Störfällen. Eben das machten die Musiker erlebbar.

Gegen die Sensibilität des Wiener Klassikers war Prokofievs Toccata, die Stadtfeld als erste Zugabe spielte, eine wuchtige virtuose Gerölllawine aus Akkorden, die das Publikum jubeln ließ. Nach der Pause: Felix Mendelssohn-Bartholdys Sinfonie Nr.4 A-Dur , die „Italienische“. Goodwin machte eindrucksvoll das Strahlen der Sinfonie erlebbar wie ihre düsteren Ahnungen. Goodwins Dirigat glich einer Choreografie, in der die Zeichensprache und Energie des Dirigenten zur ganzheitlichen dynamischen Bewegung wurde. Dabei leitete er das Orchester mit sicherem Gespür für das richtige Verhältnis von kammermusikalisch analytischer Struktur und sinfonischem Verständnis. Der Dirigent setzte auf feinen schmalen Klang und Geigenstrich, auf Schmelz ohne Schmalz, auf Klarheit und Strahlkraft der Farben, auf Durchhörbarkeit wie auf weite romantische Bögen.

Fazit: Ein wunderbares Konzert und eine nachhaltige Lektion im Glücklichsein. Begeisterung und Standing Ovations auch beim Publikum. „Ein tolles Konzert“, findet auch Besucher Benjamin. Der 18-Jährige spielt selbst seit zwölf Jahren Klavier, am liebsten spätromantische Musik. „Ganz großartig“, schwärmt eine andere Zuhörerin, die nicht namentlich genannt werden möchte. Nicht nur wegen Stadtfeld sei sie gekommen, sagt die Triererin. Aber sein Auftritt sei schon ein Anreiz gewesen. „Überwältigt“ ist auch Elsa, die mit ihren 35 Jahren eigentlich meistens Pop-Musik hört, aber der Ansicht ist: “Man muss sich immer Neues erschließen“.

Das Leben als Mix aus Glück und Tragik: Nach dem Konzert konnten Besucher noch die Nekropole unter der Kirche besuchen.