Statt Rhythmik diffuses Gedonnere

Im vierten Freitagskonzert im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum spielte der junge südkoreanische Pianist Jin Sang Lee - Schüler auch des künstlerischen Leiters der Konzertreihe, Wolfgang Manz - Werke von Beethoven, Messiaen und Prokofiew.

 Jin Sang Lee. TV-Foto: Archiv

Jin Sang Lee. TV-Foto: Archiv

Trier. Seine musikalische Grundausbildung erhielt der 1981 in Seoul geborene Jin Sang Lee in Südkorea, wo er auch seine ersten öffentlichen Auftritte absolvierte. Es folgten Studien an der Musikhochschule Nürnberg-Augsburg bei Wolfgang Manz und Julia Goldstein, und seit zwei Jahren studiert Lee bei Pavel Gililov an der Kölner Musikhochschule. In Köln gewann er 2005 auch den Tomassoni-Wettbewerb. So weit, so gut. Wie Jin Sang Lee Haydn, Mozart, Schubert, Schumann oder Brahms spielt, wissen wir nicht. Aber bei Beethoven gibt es auf jeden Fall ganz erhebliche Defizite. Für die erste Hälfte des Abends hatte Lee die Sonate Nr. 24 Fis-Dur op. 78 und die Nr. 23 f-Moll op. 57, die berühmte "Appassionata", ausgewählt. Und es muss leider gesagt werden, dass er mit keinem der beiden Werke etwas anzufangen wusste. Es fehlten fast jede Anschlags- und Klangfarben-Kultur sowie Phrasierungskunst, schnelle Läufe wurden oft nachlässig gespielt, und die Poetik der Musik scheint Lee abzugehen. Aber vor allem störten der übertriebene Einsatz des rechten Pedals - wodurch große Teile der Appassionata einem diffusen Gedonnere glichen - und die fehlende rhythmische Präzision. Triolen und Punktierungen gingen fast immer daneben. Lediglich die rasend schnelle Stretta am Schluss der Appassionata konnte überzeugen. Der Kontrast nach der Pause hätte nicht größer sein können. Jin Sang Lee begann mit "Petites esquisses d'oiseaux" des 1992 gestorbenen Olivier Messiaen. Und sofort merkte man, dass diese Musik voller virtuoser Glissandi und Akkord-Cluster dem Pianisten viel eher liegt. Dieser Eindruck verstärkte sich in der folgenden Klaviersonate Nr. 7 von Sergej Prokofiew.Lyrische Passagen waren gelungen

Plötzlich waren Klangfarben zu hören, die der sehr gute Steinway-Flügel des Museums unter den richtigen Händen im Übermaß zu bieten hat. Die Pedalbehandlung war in Ordnung, und Lee spielte mit rhythmisch federnder Präzision. Auch die lyrischen Passagen im ersten und vor allem in zweiten Satz gelangen ihm auf beeindruckende Weise. Nach dem rhythmischen Feuerwerk des letzten Satzes bedankte sich Jin Sang Lee für den Applaus mit einer ebenso überzeugenden Wiedergabe einer Etüde von Alexander Skriabin. Dass der Qualitätsunterschied zwischen Jin Sang Lees Spiel von Beethoven und Prokofiew dermaßen groß war, ist nicht leicht zu verstehen. Ob ihm für die Klassik der geeignete Lehrer fehlt? Man kann dem jungen Künstler für die Zukunft nur viel Glück und die richtigen Entscheidungen wünschen.

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