Stille Liebe, stumme Komik

LUXEMBURG. Die luxemburgische Cinémathèque zeigte Stummfilme mit Orchester-Begleitung: Die Musik zu Erich von Stroheims "Hochzeitsmarsch" und Charlie Chaplins "Einwanderer" hat Carl Davis arrangiert.

 Möchte ein wahrer Held werden: Harold Lloyd (rechts) in dem Film "An Eastern Westener".Foto: Cinémathèque

Möchte ein wahrer Held werden: Harold Lloyd (rechts) in dem Film "An Eastern Westener".Foto: Cinémathèque

Der Countdown wird wie beim Raketenstart gezählt: Drei, Zwei, Eins. Erst dann beginnt der Kinofilm. Im Orchestergraben des "Conservatoire de Musique de la Ville Luxembourg" erwartet Carl Davis konzentriert das Rückwärtszählen. Als Dirigent muss er seinen Musikern den richtigen Einsatz zeigen. Der Rest ist Routine. Selbst das Einblenden des Filmtitels und der Namen der Schauspieler illus-triert das luxemburgische Philharmonieorchester musikalisch. Die Arrangements hat Davis selbst komponiert.

Wieder einmal bilden eine Reihe seiner Arbeiten den Stoff, mit dem die Cinémathèque von Luxemburg zu ihrem "Live Cinéma" eingeladen hat. Bei dieser Veranstaltung werden jedes Jahr Stummfilme vom Beginn des 20. Jahrhunderts gezeigt.

Diesmal war die Wahl auf Erich von Stroheims "Hochzeitsmarsch" (1926-1928) gefallen. Darin geht es um den verarmten Prinzen Nicki (Stroheim), der eine reiche Fabrikantentochter heiratet, obwohl er ein anderes Mädchen (Fay Wray) liebt. Regisseur Stroheim lässt in zum Teil grotesken Bildern auf die Wiener Gesellschaft der 1910er Jahre blicken. Stroheim verwendet manchmal Holzhammer-Symbolik, wenn während Nickis Hochzeitsmesse wiederholt die knöchernen Finger eines Skeletts auf die Orgeltasten hämmern, um auf die Tragik der Geschichte zu verweisen. Dialoge werden als Textzeilen in englischer Sprache eingeblendet. Die Handlung lebt von der Musik, die vom Fuße der Leinwand gewaltig tönt.

In vielen Varianten klingt zum Beispiel die Hochzeitsmarsch-Melodie. Carl Davis montiert solche bekannten Lieder mit Geräuschen wie dem Glockenläuten, schwingt seine Arme, feuert an, besänftigt und jubelt. Bei solcher Leidenschaft schaut mancher Zuschauer auf den Rängen des Konservatoriums öfters zum Orchester hinunter. Das Publikum ist seltsam gebannt von Stummfilm und Musik, obwohl die Szenen lange dauern und sehr viel weniger Bildschnitte auszumachen sind, als es bei heutigen Hollywoodwerken der Fall ist.

Die Collage von Bild und Ton, die keines gesprochenen Wortes bedarf, verzaubert. Das zeigt sich auch an einer anderen Stelle. Charlie Chaplins "Der Einwanderer" von 1917 flimmert im Vorprogramm, wo die Leute vor allem dann lachen, wenn Carl Davis und Orchester gemeinsam Chaplins Slapstick-Gewitter besonders treffsicher kommentieren.

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