Stiller Triumph unter der Trauerweide

Bitburg · Auch wenn sich die Dr.-Hanns-Simon-Stiftung in ihrem Haus Beda zunehmend der Ausstellung moderner Kunst widmet, so gehören zur Sammlung auch zahlreiche Werke von Künstlern, die dem Regime im Dritten Reich sehr nahe gestanden haben. Angeschafft wurden sie vom Stiftungsgründer Hanns Simon, der dem Haus damit ein schwieriges Erbe hinterlassen hat.

Bitburg. Vom "Drang zum Hässlichen, Krankhaften, Verrückten, Perversen, ja zur Pornografie" in der Kunst ist die Rede. Von Dekadenz und Verfall. Und von Besuchern, die an "diesen sogenannten modernen Kunstwerken verständnislos, kopfschüttelnd oder auch erbost und empört vorbeigehen". Diese Ausschnitte stammen aus einer Rede. Allerdings nicht etwa aus der Eröffnungsrede zur Münchener Ausstellung "Entartete Kunst" von 1937, sondern von einer Veranstaltung etwa 40 Jahre später. Zitiert wird daraus in einer Ausgabe des Ostpreußenblatts. Und derjenige, der den Verfall der Kunst anprangert, ist der Bitburger Unternehmer Hanns Simon, Gründer der nach ihm benannten Dr.-Hanns-Simon-Stiftung. Seiner Liebe zur Kunst verdankt die Stadt Bitburg das Haus Beda.Nun genießt das Ostpreußenblatt, (mittlerweile Preußische Allgemeine Zeitung) den Ruf, Nationalsozialismus und rechtsradikalen Tendenzen - vorsichtig ausgedrückt - eher unkritisch gegenüberzustehen. Weshalb es auch nicht verwundert, dass in dem Artikel über Simon und das Haus Beda darauf verzichtet wurde, auf das dunkle Kapitel deutscher Geschichte zwischen 1933 und 1945 näher einzugehen. Und das, obwohl es im Beitrag um keinen geringeren als Arno Breker geht - den wohl bedeutendsten deutschen Bildhauer des Dritten Reichs, von Hitler nicht nur geduldet, sondern auch beauftragt und gefördert.Auch Hanns Simon gehörte zu denjenigen, die für Brekers Kunst eine Schwäche hatten. Beleg dafür ist die mehr als zwei Meter hohe "Prometheus"-Plastik, die der Unternehmer 1978 gekauft und dem Haus Beda übergeben hat. "Auch dieses Bildwerk wird seine Kritiker haben", hatte Simon damals gesagt. Und er sollte Recht behalten. Wobei der Bronze-Prometheus längst nicht das Einzige im Haus Beda ist, was auf Kritik stößt.So gehören zur Sammlung auch zahlreiche Werke anderer Künstler, die in der Zeit des Nationalsozialismus in der Gunst Hitlers standen und die allesamt vom Stiftungsgründer angeschafft wurden. Neben Werken von Hanns Scherl und Fritz Klimsch sind das vor allem Arbeiten des Künstlers Werner Peiner. Auch dazu gibt es einen ganzseitigen Artikel im Ostpreußenblatt. Anlässlich Peiners 80. Geburtstag im Juli 1977. Lobend erwähnt sind in diesem Beitrag auch das Haus Beda und der Stiftungsgründer. Und 60 Gemälde, die Peiner der Dr.-Hanns-Simon-Stiftung kurz zuvor übergeben hat."In der Sammlung des Hauses Beda finden sich einige wenige figürliche Werke und eine Mehrzahl von Bildern aus der Zeit des Nationalsozialismus", sagt Michael Dietzsch, Nachfolger und Schwiegersohn des 1989 gestorbenen Stiftungsgründers. "In der Summe dürfte es sich um eine höhere zweistellige Zahl handeln", fügt Dietzsch hinzu. Simon habe sich sehr für Altphilologie interessiert und sich auch intensiv mit der Antike befasst, und deshalb daran angelehnte Kunst auch zu Dokumentationszwecken gesammelt, erklärt der Vorsitzende des Stiftungsrats. In Simons Privathaus hingegen habe sich kein einziges Werk der genannten Künstler befunden. Ein Großteil der umstrittenen Werke sei inzwischen nicht mehr in der Ausstellung, sagt Dietzsch. Er selbst habe ein Peiner-Triptychon aus dem Festsaal des Hauses entfernen und ins Archiv einlagern lassen, fügt er hinzu. Der dreifache Peiner ist im Archiv, und Brekers Prometheus, der ursprünglich mit anderen Skulpturen im Atrium des Hauses triumphierte, steht jetzt hinter dem Haus, etwas abseits unter einer Trauerweide. "So sehr es auch immer wieder versucht wird - Brekers Prometheus kann und darf niemals als unpolitisch verstanden und nur ästhetisch wahrgenommen werden", heißt es im Katalog zur Ausstellung "Die andere Seite", die im vergangenen Sommer auf dem Gelände des Hauses Beda zu sehen war.Seitdem diskutiert die regionale Kunstszene darüber - allen voran der Wittlicher Justinus Maria Calleen. Ihm sind neben den Werken von Breker und Peiner vor allem die Skulpturen des Wittlicher Künstlers Hanns Scherl ein Dorn im Auge. Calleen lobt das Konzept der Ausstellung, kritisiert aber das "totale Schweigen, Wegsehen und Verleugnen" im Bezug auf Scherl. "Ein sehr unverständliches Vorgehen, da alle Beteiligten über Scherls nationalsozialistische Biografie Bescheid wussten", sagt Calleen."Spiegelbild des Mittelmaßes"

Scherl sei ein unbedeutender Künstler und immer nur das "Spiegelbild des Mittelmaßes seiner Zeit gewesen", sagt hingegen der Bitburger Bildhauer und Kurator der Ausstellung, Albert Hettinger. Wohingegen es von Anfang an klar gewesen sei, Brekers Prometheus nicht unreflektiert im Raum stehen zu lassen. Statt des symbolträchtigen Standorts unter einer Trauerweide hätte sich aber auch Hettinger durchaus eine "radikalere Auseinandersetzung" mit Breker gewünscht. Und er habe auch mit einem Künstler in Kontakt gestanden, der genau das vorgehabt habe. Der sich künstlerisch mit dem eingangs erwähnten Simon-Zitat im Ostpreußenblatt auseinandersetzen wollte. Doch das habe er Simons Schwiegersohn Dietzsch, der ihm beim Kuratieren der Ausstellung von Anfang an freie Hand gelassen habe, dann doch nicht zumuten wollen, sagt Hettinger.Dass im Haus Beda so viele Werke von Künstlern aus dem Dritten Reich sind, ist allerdings auch für den Bitburger Bildhauer unbegreiflich. Die Kultureinrichtung sei deshalb aber ganz sicher kein "Hort nationalsozialistischen Gedankenguts", sagt Hettinger. Und was den Stiftungsgründer betreffe, "so wird dieser kein Widerstandskämpfer gewesen sein", fügt er hinzu. "Aber er war sicher geprägt von einem gewissen Maß an Naivität."Das wiederum würde auch ein anderes Werk erklären, das ebenfalls im Eigentum der Bitburger Stiftung ist. Hanns Simon hat sich von Breker nämlich auch ein Bronze-Porträt seines Kopfes anfertigen lassen. Büsten aus dem Hause Breker gibt es auch von zahlreichen anderen Persönlichkeiten. Zum Beispiel von Ludwig Erhard und Konrad Adenauer. Sowie von Albert Speer und Adolf Hitler.Meinung

Viel Bronze ohne KontextMan kann darüber streiten, wie nahe der Wittlicher Bildhauer Hanns Scherl dem Nazi-Regime gestanden hat. Und in Wittlich wurde das auch zur Genüge getan. Dass das NSDAP-Mitglied Scherl nicht in Hitlers Liste der "gottbegnadeten" oder gar "unersetzlichen Künstler" aufgenommen wurde, dürfte jedoch nicht etwa an fehlender Parteitreue gelegen haben, sondern wohl eher an dessen künstlerischen Fähigkeiten. Auch darüber kann man streiten - nur eben nicht mehr mit dem 1989 verstorbenen Hanns Simon. Was den Unternehmer, Kunstmäzen, Ehrenbürger der Stadt Bitburg und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes allerdings zu Lebzeiten dazu getrieben hat, im Haus Beda eine Sammlung mit Werken von Nazi-Künstlern einzurichten, die der Requisitensammlung eines Leni-Riefenstahl-Films nachempfunden sein könnte, ist unbegreiflich. Und dabei geht es längst nicht nur um Scherl, sondern um "gottbegnadete" Größen wie Breker, Peiner oder Klimsch. Dass diese Herren Hitlers Regime mehr als nur nahe gestanden haben, steht außer Frage. Und dass Hanns Simon offensichtlich eine Schwäche für diese Künstler und deren Werke gehabt hat, ebenso. Auf die Anfangsjahre des Hauses Beda, mit dessen Errichtung Simon zweifelsohne einen sehr wichtigen Beitrag für das kulturelle Leben über die Grenzen Bitburgs hinaus geleistet hat, wirft das einen dunklen Schatten. Und dieser Schatten bleibt, solange sich die Dr.-Hanns-Simon-Stiftung nicht kritisch mit ihrem Stiftungserbe auseinandersetzt. Sich nur davon zu distanzieren, reicht nicht aus. Ein Teil dieser Erbschaft ist bereits im Archiv eingelagert oder aber - wie im Fall von Brekers Prometheus-Statue - in die hinterste Ecke des Gartens ausgelagert worden. Einige Werke wie Klimschs Olympia-Statue und die Simon-Büste von Breker gehören jedoch nach wie vor zum ausgestellten Inventar des Hauses. Von Scherls Skulpturen, die dort allgegenwärtig sind, ganz zu schweigen. Der Kontext, in dem die dafür verantwortlichen Künstler stehen, wird dabei allerdings nahezu komplett ausgeblendet. Und genau da liegt das Problem. Denn dass die Stiftung die umstrittenen Bronzearbeiten ausstellt, ist ihr gutes Recht. Und dagegen ist auch nichts einzuwenden - wenn man mal von der Frage absieht, was den Stiftungsgründer zu dieser Sammlung bewogen hat. nachrichten.red@volksfreund.de

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