Kultur Stumme Zeugen einer klingenden Kunst

Trier · Bis 10. September zu sehen: Die Musikalien in der Schatzkammer der Trierer Stadtbibliothek.

 Musikalien in der Schatzkammer der Trierer Stadtbibliothek

Musikalien in der Schatzkammer der Trierer Stadtbibliothek

Foto: TV/Martin Möller

Sie hat etwas Geheimnisvolles, die Schatzkammer der Trierer Stadtbibliothek. Im abgedunkelten Raum, nur mit Punktquellen erleuchtet, präsentiert sie markante Dokumente der Vergangenheit. Die scheinen stumm zu sein. Aber sie beginnen zu sprechen, wenn jemand sie vorstellt und erläutert. Noch bis zum 10. September sind in der Schatzkammer einige wertvolle Musikalien aus dem Besitz der Stadtbibliothek zu sehen. In ihnen manifestiert sich eine spannende Entwicklung in der Fixierung von Musik.

Den Anfang macht eine frühmittelalterliche Handschrift über Psalm 1, „Beatus vir“ („glücklich ist der Mann“), deren Text nach allen Erkenntnissen gesungen wurde, auch wenn eine Notenschrift damals noch nicht bestand. Schritt für Schritt nähert sich die Fixierung von Musik dann größerer Bestimmtheit.

Die Schau der Stadtbibliothek dokumentiert Stationen dieser Entwicklung: die Neumenschrift ohne und mit Notenlinien, die sogenannte Hufnagel-Notation, in der Töne erstmals optisch eindeutig fixierbar werden, schließlich in szenischen Darstellungen wie der „Trierer Marienklage“ oder dem „Trierer Osterspiel“ (um 1450) mit präzisen Regie-Anweisungen. Zu sehen ist auch die Kopie eines Tonars des Regino von Prüm (840-915) – nach dem Metzer Tonar die zweitälteste systematische Zusammenstellung gregorianischer Gesänge nach den Kirchentonarten. Aber auch die Neuzeit ist in der Schau präsent. Zum Beispiel ein Druck aus dem 15. Jahrhundert, bei dem die Noten noch mit der Hand geschrieben wurden – der erste Notendruck von Ottaviano Petrucci erschien dann erst 1503.

Bibliothekdirektor Michael Embach hat zu fast jedem Musik-Exponat eine Geschichte parat, zieht Querverbindungen zur Dauerausstellung. Und weist auf Forschungslücken hin: „Da versteckt sich noch genügend Stoff für Dissertationen“. Wer, beispielsweise, kennt noch Peter Bohn (1833-1925), den Musiklehrer und Musikforscher, den Übersetzer des wichtigen Theoriewerks „Dodekakordon“ von Henricus Glarean aus dem 16. Jahrhundert? Ein Mann, der als einer der ersten die Musik-Schätze der Stadtbibliothek aufarbeitete. Bohn setzte sich zudem gegen heftige Widerstände für die liturgische Verwendung des gregorianischen Chorals in seiner authentischen, durch Quellen belegten Fassung ein. Die Schau zeigt zwei sehenswerte Exponate aus dem ehemaligen Besitz von Bohn – den „Codex Bohn“ aus dem 13. Jahrhundert, vermutlich aus dem Kloster Stuben an der Mittelmosel, und die „Sammlung Bohn“, ein Konvolut, von dem die Herkunft ungeklärt ist. Michael Embach hat auch eine musikästhetische Schrift Fritz von Dalbergs (1760-1812) in die Ausstellung aufgenommen. Dalberg war Trierer Domherr und Freund Johann Gottfried Herders. Dalbergs Biografie hat Embach vor Jahren geschrieben. Eine umfassende Aufarbeitung des Komponisten und Musikästhetikers Dalberg indessen steht noch aus.

Die reichen Musikbestände der Stadtbibliothek sind mit dieser Ausstellung keineswegs erschöpft. Aber auch in diesem bescheidenen Format kann sie den historischen Horizont der Betrachter erweitern. Freilich bedarf es unbedingt der mündlichen Erläuterungen. Ohne die bleiben die ausgestellten Musikalien nur stumme Zeugen.

 Musikalien in der Schatzkammer der Trierer Stadtbibliothek

Musikalien in der Schatzkammer der Trierer Stadtbibliothek

Foto: TV/Martin Möller
 Aus dem Besitz von Peter Bohn. Der „Codex Bohn“ stammt aus dem 13. Jahrhundert.

Aus dem Besitz von Peter Bohn. Der „Codex Bohn“ stammt aus dem 13. Jahrhundert.

Foto: TV/Martin Möller

Bis 10. September in der Schatzkammer der Stadtbibliothek Trier. Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 10 Uhr bis 17 Uhr. Anmeldung für Führungen unter Telefon 0651/7181429.

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