Film Was wäre wohl, wenn …?

Trier · Trierer Musiker begleitet Stummfilm „Stadt ohne Juden“ am Klavier mit Eisler-Werken.

   Bernhard Nink spielt am ­Klavier Werke von Hanns Eisler, während auf der ­Leinwand der Stummfilm läuft.

Bernhard Nink spielt am ­Klavier Werke von Hanns Eisler, während auf der ­Leinwand der Stummfilm läuft.

Foto: Martin Möller

Der Titel löst einige Beklemmung aus. „Stadt ohne Juden“ – klingt nicht die Erinnerung an den Holocaust mit? Aber was der „Cine-ASTA“ an der Trierer Universität am  17. Januar (20 Uhr) präsentiert, unterscheidet sich grundsätzlich von allen legitimen und zweifellos notwendigen Erinnerungsveranstaltungen der Nachkriegszeit. „Stadt ohne Juden‘“, das ist ein Stummfilm aus dem Jahr 1924, also aus einer Zeit, in der Antisemitismus noch als salonfähig und als weitgehend harmlos galt.

Der Film von Hans Karl Breslauer und Ida Jenbach basiert auf dem gleichnamigen Roman von Hugo Bettauer (1872-1925). Und im Drehbuch geht es wirklich um die Frage: Was wäre, wenn …? Was, beispielweise, wäre gewesen, wenn Himmler und seine Schergen zur Vernunft gekommen wären, statt ihr Wahnsystem immer weiter zu perfektionieren.

Der Film „Die Stadt ohne Juden“  macht vor, was vielleicht doch möglich gewesen wäre. Er ist ein Gedanken-Experiment, versetzt in bewegte Bilder. In der sagenhaften, aber doch deutlich als Österreich erkennbaren Republik Utopia herrscht Unruhe. Wirtschaftlicher Niedergang, Arbeitslosigkeit und Inflation lösen in der Bevölkerung Panik aus. Man sucht Schuldige, und man findet sie. Es sind die Juden – wer auch sonst? Aus antisemitischen Worten werden dann rasch Taten. Der Bundeskanzler Dr. Schwertfeger zögert zunächst und setzt sich dann doch an die Spitze der „Juden raus“-Bewegung. Ihre Parole heißt „Rettung durch Ausweisung“. Die Juden müssen gehen.

Jetzt ist scheinbar alles gut. Nur, dass die Wirtschaft nach einem kurzen konjunkturellen Strohfeuer immer mehr an Boden verliert und das gesamte Kunst- und Geistesleben dazu. Utopia wird zur Provinz. In den Schaufenstern dominieren heimische Stoffe wie Loden und Barchent. Im Theater stehen nur noch Ganghofer und Anzengruber auf dem Spielplan. Schließlich gelingt es dem Juden Leo Strakosch, eine Wende durchzusetzen. Strakosch  musste nach Paris emigrieren und war nun unter falschem Namen in seine Heimat zurückgekehrt. Jetzt setzt er alles daran, diese Heimat gegen die Judenhasser zu verteidigen. Und hat damit Erfolg. Ganz knapp, mit nur einer Stimme, verpasst das Parlament bei der entscheidenden Abstimmung die für die Ausweisung der Juden notwendige Zweidrittel-Mehrheit. Die Juden kehren zurück und werden vom Bürgermeister und anderen Honoratioren freudig empfangen. Und einer Hochzeit zwischen dem Juden Strakosch und der Nichtjüdin Lotte steht nichts mehr im Wege.

Bernhard Nink wird den Film musikalisch begleiten. Er spielt Kompositionen von Hanns Eisler (1898-1962). Eisler war Schüler von Arnold Schönberg, zielte aber rasch auf eine Politisierung seiner Musik.  Höhepunkt ist Eislers Vertonung von Johannes R. Bechers Gedicht „Auferstanden aus Ruinen“, die zur Nationalhymne der DDR avancierte. Jedenfalls gelang es Eisler in seiner politischen Musik, Anschaulichkeit und höchstes kompositorisches Niveau zu verbinden. Im vergangenem Jahr hatte Nink bereits im Audimax einen Stummfilm am Klavier begleitet. Damals wurde „Sinfonie einer Großstadt“ aus dem jahr 1927 gezeigt.

„Die Stadt ohne Juden“. Spielfilm, 80 Minuten. Drehbuch: Hans Karl Breslauer und Ida Jenbach. Regie: H. K. Breslauer. Mit Johannes Riemann, Hans Moser und vielen anderen Stummfilmstars. Freitag, 17. Januar, 20 Uhr, Audimax der Universität Trier.

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