Surreales Märchen

Mit einem Publikumsliebling geht das Trierer Theater in die neue Opernsaison: "Hoffmanns Erzählungen" gehört zu den sicheren Kassenschlagern bei Abo und Abendkasse. Doch Regie und Besetzung versprechen mehr als Stadttheater-Routine.

Trier. (DiL) Dass Birgit Scherzer eine exzellente Choreografin ist, wissen die Trierer spätestens seit Mozarts "Requiem!!" und Wagners "Ring-Motiven". Ab Sonntag haben sie Gelegenheit, auch die Opern-Regisseurin Scherzer kennen zu lernen.

Kein leichter Job für die Sänger. An der Rampe stehen und schmettern ist nicht. "Mir ist bei jeder Bewegung wichtig, was sie dem Betrachter erklärt", lautet Scherzers Prinzip. Will heißen: Es wird um jeden Ausdruck, jede Geste gerungen. "Ich weiß, dass meine Hartnäckigkeit die Sänger manchmal nervt", sagt die Regisseurin mit dem unüberhörbaren Berliner Akzent - und schickt ein kurzes Lachen hinterher, von dem man nicht genau weiß, ob es wirklich Amüsement ausdrückt.

Bei Wolfgang Schwaninger rennt sie jedenfalls offene Türen ein. Der Interpret der Titelrolle findet es "sehr wohltuend", dass Scherzer "genau darauf achtet, wie sich Personen und Gruppen auf der Bühne bewegen". Die Regisseurin gibt das Kompliment zurück: Mit einem darstellerisch so wagemutigen Akteur wie Schwaninger zu arbeiten, sei "ein Traum".

Das Trierer Publikum hatte schon in der "Walküre" Gelegenheit, die sängerischen und schauspielerischen Fähigkeiten des 43-Jährigen zu bewundern. Der studierte Jurist ("Das verbindet mich mit E.T.A. Hoffmann"), der seine Karriere über das lyrische Fach ohne Hast aufgebaut hat, gilt inzwischen in dramatischen Partien als Anwärter auf höchste Ehren - auch in großen Häusern.

Der Bezug zum Dichter E.T.A. Hoffmann, der dem Komponisten Jacques Offenbach nicht nur die Titelfigur, sondern auch den Stoff für die skurrilen Geschichten um singende Automaten, todkranke Sängerinnen und teuflische Kurtisanen geliefert hat, ist kein Zufall. Hoffmanns bedrohlich-surreale Märchen, die eher an Edgar Allen Poe als an die Gebrüder Grimm erinnern, liefern Birgit Scherzer die Atmosphäre für ihre Inszenierung um Träume und Albträume, Wahrheit und Einbildung. Sie will Fantasie anregen, Sehgewohnheiten aufbrechen, Klischees sprengen, Gestalten hinzuerfinden - und mag Figuren, "die nicht ganz klar sind", freilich unter der Prämisse, "dass sich die Rätsel für das Publikum als Bilder auflösen".

Und wie kommt man da mit dem Barcarolen-Schwulst zurecht? Wieder das kurze Lachen, dann bekennt Scherzer augenzwinkernd, "dass ich die Barcarole und einiges andere am liebsten weggelassen hätte". Aber da war GMD Victor Puhl davor, der mit "Hoffmanns Erzählungen" seinen Trierer Einstand als Operndirigent gibt. Und zwar "französisch-leicht und mit Raffinesse", jedenfalls nach Wolfgang Schwaningers Proben-Eindrücken.

Am Sonntag wird man's wissen.

Premiere 28. September, nächste Vorstellungen: 5., 10., 12., 18., 21., 24., 30. Oktober.

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