"Tanz und Choreographie treiben mich"

Trier · Zwei Preise in Folge hat der Tänzer des Trierer Ensembles, Paul Hess, für seine Rekonstruktion einer Pferdekür des Hengstes Totilas bekommen. Gerade probt er für seine Rolle als Puck in der spartenübergreifenden Oper "A Midsummer Night’s Dream" von Benjamin Britten. Ein Porträt.

 Mit dem Stück „Nemmokna“ sollte das neue Tanzensemble in Trier sprichwörtlich Ankommen - unter ihnen ist auch der preisgekrönte Tänzer Paul Hess (unten rechts). Foto: Bettina Stöß

Mit dem Stück „Nemmokna“ sollte das neue Tanzensemble in Trier sprichwörtlich Ankommen - unter ihnen ist auch der preisgekrönte Tänzer Paul Hess (unten rechts). Foto: Bettina Stöß

Foto: ©Bettina Stöß (g_kultur

Trier. Durch die Tür dringen Wortfetzen, dann erklingt Musik. Drinnen im Proberaum des Trie rer Theaters übt Paul Hess mit dem Choreographen Hannes Langolf gerade seine Rolle als Puck in Benjamin Brittens Oper "A Midsummer Night`s Dream" ein, die im September Premiere hat. Harte, schweißtreibende Arbeit ist das. "Pass auf, dass dich die Energie nicht nach hinten reißt", mahnt Langolf, "Kopf zurück".
Energie in Gestalt umsetzen


Emotionen und Charaktere in der Bewegung sichtbar zu machen, das ist es, was einen guten Tänzer ausmacht. "Es geht mir darum, Energie in Gestalt umzusetzen", bestätigt Paul Hess eine halbe Stunde später. Pause ist angesagt. Jetzt sitzt er entspannt, drüben in der Theater-Stammkneipe und löffelt seine Suppe. Der vielfach ausgezeichnete Tänzer lebt seit 2015 als Mitglied der Company Susanne Linke in Trier. Dort ist er bereits in mehreren Produktionen aufgefallen, wie in "Nemmokna", dem Einstandsstück der Truppe. Aber auch im überarbeiteten "Ruhr-Ort", einem Kultstück des modernen Ausdruckstanzes (Choreographie Susanne Linke), fiel er durch Energie und Präsenz auf. Überhaupt macht die Mischung aus darstellerischer Kraft, ausgefeilter Technik und Bühnenpräsenz den Tänzer Paul Hess aus.
Das mag auch die Jury so empfunden haben, die ihm im November für "Das Beste Deutsche Tanzsolo" in Leipzig im Rahmen der Messe Euro-Scene Leipzig den ersten Preis zusprach. Für seine tänzerische Rekonstruktion einer Kür des Dressurhengstes Totilas bekam er dort den Jury- und Publikumspreis. Bei dem internationalen Wettbewerb Choreography 30 im Juni in Hannover hat Hess zudem den Produktionspreis des Bundesjugendballets gewonnen. Ebenfalls mit der Rekonstruktion "Totilas - der Ritt". Getanzt wurde das Solo dort von seiner Trierer Kollegin Luiza Braz Batista.
Mit der Kunst kam der 1984 in Velbert bei Wuppertal geborene Künstler schon früh in Berührung. Beide Eltern unterrichteten als Pianisten an der örtlichen Musikschule, und der Sohn erhielt früh Ballettunterricht. In der Pubertät war es dann erstmal aus mit dem Tanzen. Bis ihn eine Freundin mit in eine Tanzschule nahm, wo er schon bald meisterlich den Standardtanz beherrschte.
Im Tanz allein der Form zu genügen, das konnte es nicht sein, fand der kreative junge Mann bald heraus. Noch während seiner Schulzeit an der Waldorfschule bestand er die Aufnahmeprüfung an der Essener Folkwang Universität und wurde dort als Jungstudent aufgenommen. Nach dem Abschluss des Studiums dort folgte ein Aufbaustudium Choreographie. Inzwischen hat der Tänzer in vielen Produktionen an unterschiedlichen Häusern mitgewirkt, hat mit Choreographen-Größen wie Pina Bausch, Daniel Goldin oder eben Susanne Linke zusammengearbeitet. Für Hess ist Tanz Innen-und Außenschau. Tänzerischer Ausdruck als übergestülpte Form hat da nichts zu suchen. "Die Dramaturgie des Themas muss auch für den Körper Sinn machen", beschreibt Hess die enge Verbindung zwischen choreographischer Vorstellung und tänzerischer Interpretation. Wie für seine Chefin Susanne Linke muss auch für Hess der ganze Mensch mit seiner emotionalen und geistigen Energie tanzen.
In der Trierer Truppe fühlt sich der Tänzer ausgesprochen wohl. So unterschiedlich die meisten Mitglieder seien: "Jeder hat Respekt vor dem andern". Weshalb es auch nicht um Solistenruhm, sondern zuerst um Teamwork gehe. Viel Freude machen ihm die Proben mit Kindern.
Auch sein aktueller Wohnort gefällt dem Neutrierer. Vor allem im Sommer sei die Stadt schön, freut sich der Wuppertaler. Ein wenig vermisse er den Kontakt mit den Studenten vor Ort, die zwar zahlreich, aber im städtischen Leben kaum wahrnehmbar seien. Eigentlich sei der Tanz ein Full-Time-Job, sagt Hess, aber ein wenig Freizeit ist dann doch drin. Die wird zum Klettern oder Wandern genutzt. Und ein begeisterter Hobby-Koch ist der Tänzer, der mit einer Kollegin zusammenlebt, zudem. Weshalb er einen ganzen Kräutergarten auf dem Balkon hält. Gleich geht es schon weiter mit den Proben. Aber kein Problem: "Tanz und Choreographie treiben mich", bekennt Hess.

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