Theater auf Höhenflug

Luxemburg · Das Grand Théâtre ist für die Region der Draht zur großen Theaterwelt. Zum 50. Geburtstag des Hauses und zum zehnten Jahrestag des großen Umbaus erntet die Truppe um Intendant Frank Feitler Lobeshymnen von allen Seiten.

Luxemburg. Die wahren Helden des Grand Théâtre sieht man selten. Es sind die 48 hoch qualifizierten Techniker, die es schaffen, die Bühnentechnik der großen Theater Europas reibungslos auf die Verhältnisse des Hauses am Glacis zu übertragen. "Ohne Mäx könnte ich den Laden zumachen", sagt Intendant Frank Feitler. Gemeint ist Technikchef Max Kohl, der von den Bauten bis zum Licht auch die anspruchsvollsten Gemüter zufriedenstellt.
Ansonsten gilt hinter den Kulissen die Devise: Small is beautiful. Eine winzige Verwaltung, eine schlagkräftige Öffentlichkeitsarbeit, eine kleine Crew, die Kooperationen organisiert. Kein festes Ensemble, kein hauseigenes Orchester: So kann Feitler mit einem Budget von 15 Millionen Euro 200 hochkarätige Veranstaltungen pro Saison anbieten. Fast jedes deutsche Stadttheater ist teurer.
Das Fehlen eines Ensembles versucht das Grand Théâtre mit Eigenproduktionen zu kompensieren - vor allem, seit man 2011 das Kapuzinertheater übernommen hat. Die Tanztheater- und Schauspielmacher des Großherzogtums stemmen mit Feitlers Hilfe rund ein Dutzend eigene Stücke im Jahr. Aber auch bei den großen Koproduktionen im Musiktheater enthalten die Besetzungen oft eine eigene Luxemburger Note. Und Proben vor Ort sorgen dafür, dass keine billige Gastspiel-Routine aufkommt.
Ein gemütliches Volkstheater mit populärer Programmauswahl ist das Grand Théâtre freilich nicht. Operette und Spieloper fehlen, die Ästhetik der Inszenierungen ist auf der Höhe der Zeit, Musicals sind bislang rar, was sich freilich ändern soll. "Den Puristen sind wir noch zu sehr Mainstream, den anderen schon zu elitär", sagt Feitler und wirbt angesichts eines mehrheitlich nicht-luxemburgischen Publikums für den Mittelweg zwischen hochtrabendem Dramaturgie-Theater und braver Massenabfütterung.
Der Vorteil des Hauses ist dabei, dass man durch die exzellenten räumlichen Bedingungen vieles unter einen Hut bekommt. Von der experimentellen Kleinproduktion mit Publikum auf der Bühne über das Kapuzinertheater mit 300 Plätzen bis zum stolzen 950er Saal im Großen Haus ist alles im Angebot - plus einem vielfältig gestaltbaren großen Studio.
Zukunftsängste muss das Grand Théâtre nicht haben. Die Stadt Luxemburg als Träger sitzt auf satten Geldreserven, das Sponsoring macht nur fünf Prozent des Budgets aus und dient der Finanzierung von "Extras". Auch eine Wirtschaftsflaute dürfte den Theaterdampfer also nicht zum Kentern bringen. Nur eine Unwägbarkeit bleibt: Frank Feitler, der Vater des Erfolges, wird nächstes Jahr 65 und hat angekündigt, in Ruhestand zu gehen. Die Stadt würde seinen Vertrag wohl gerne verlängern. Zumindest in diesem Punkt gilt die alte Brecht-Devise: Der Vorhang zu und alle Fragen offen.Extra

 Die Fassade des Grand-Théâtre-Foyers wurde 1964 vom französischen Architekten Alain Bourbonnais konstruiert. Den Hof gestaltete beim großen Umbau 2003 der Luxemburger François Valentiny. TV-Foto: Friedemann Vetter

Die Fassade des Grand-Théâtre-Foyers wurde 1964 vom französischen Architekten Alain Bourbonnais konstruiert. Den Hof gestaltete beim großen Umbau 2003 der Luxemburger François Valentiny. TV-Foto: Friedemann Vetter

Zum runden Geburtstag hat sich das Grand Théâtre selbst das größte Geschenk gemacht: Eine weltweit gefeierte Produktion von Leonard Bernsteins Musical "West Side Story" macht Station am Glacis. Das Ensemble um Choreograph Joel McKneely hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Man will die Original-Broadway-Version von 1957 rekonstruieren, mit der - vier Jahre vor der Verfilmung - der Siegeszug des erfolgreichsten Musicals der Welt begann. Die Macher der Neuproduktion haben den Mund nicht zu voll genommen. Zu sehen ist in Luxemburg eine atemberaubend schnelle, präzise choreographierte, brillant geleuchtete und artistisch getanzte Version der Romeo- und Julia-Geschichte aus der Upper West Side Manhattans. Das Tanztheater dominiert über das Musical, die Bewegungen reißen mit, zumal auch das 20-köpfige Orchester sehr rau und jazzig spielt, aggressiv und tempogeladen - selbst Schmankerl wie "Somewhere" bleiben von Streicher-Soße verschont. Die Ästhetik war in den 1950er Jahren wahrscheinlich revolutionär modern - inzwischen wirkt sie gewöhnungsbedürftig bieder. Alles bleibt im Rahmen vorgegebener Tanz-Moves, wirkt bisweilen etwas künstlich, weit weg von heute. Dafür entschädigt die geradezu ideale Rollenbesetzung mit jungen Akteuren, die - typisch Broadway - stimmlich, tänzerisch und darstellerisch hundertprozentig aufeinander abgestimmt sind und in die Rollen passen. Die insgesamt 13 Vorstellungen waren offiziell ausverkauft, gestern Abend gab es aber kurzfristig noch Restkarten für den 17., 18., 19., 21., 23., 24. und 25. Januar. Info: www.theatres.lu DiL

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