Theater Trier: Helle Begeisterung bei "Hoffmanns Erzählungen"

Trier · Das Trierer Musiktheater und sein Opernpublikum haben wieder zueinandergefunden.

 Zu Unrecht ausgebuht:Bariton László Lukács übernimmt in „Hoffmanns Erzählungen“ gleich vier Rollen (Lindorf, Coppelius, Doktor Mirakel, Dappertutto).Foto: Theater Trier

Zu Unrecht ausgebuht:Bariton László Lukács übernimmt in „Hoffmanns Erzählungen“ gleich vier Rollen (Lindorf, Coppelius, Doktor Mirakel, Dappertutto).Foto: Theater Trier

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Es war wie eine Versöhnungsfeier. "Ich hoffe, die Vorstellung gefällt Ihnen", sagte Musikdramaturg Peter Fröhlich. Und löste damit einen Beifall aus, dessen Heftigkeit in keinem Verhältnis zur beiläufigen Formulierung stand. Am Ende der Premiere sprangen sie sogar von den Sitzen, und vom Hochparkett tönten Bravos und Pfiffe. "Ich bin restlos begeistert", sagte ein fachkundiger Besucher.

Keine Frage: Das war mehr als die Zustimmung zu irgendeiner Premiere. Auch wenn noch nicht alle 622 Plätze besetzt waren: Mit "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach haben das Trierer Musiktheater und sein Opernpublikum wieder zueinandergefunden. Viele der ehemals verschreckten Besucher sind zurückgekehrt in das Haus am Trierer Augustinerhof.

Die Akteure auf und hinter der Bühne hatten alles daran gesetzt, das Publikum zu versöhnen. Generalmusikdirektor Victor Puhl und Regisseur Thilo Reinhardt stützen sich auf eine aktuelle Neufassung dieser heiklen Oper mit ihrer diffusen Quellenlage. Ein Großteil der Sängerinnen und Sänger wurde aus dem Haus besetzt - ein Beleg für die Leistungsstärke des Trierer Opernensembles. An der Ausstattung (Katharina Gault/Paul Zoller) hatte man sichtlich nicht gespart. Und der erneut kräftig verstärkte Opernchor (Angela Händel) wuchs sich aus zur prachtvollen Klangkulisse.

Trotz allem: Es gibt auch Gründe zu verhaltener Skepsis. Thilo Rheinhardt und Victor Puhl demonstrieren deutlich, wie wichtig ihnen diese Oper ist. Aber unter ihren Händen fehlt ihr am Ende das Wichtigste - die dramaturgische Stringenz, die gezielte Sparsamkeit der szenischen Mittel. Allein die Überlänge im mehr als zweistündigen ersten Teil hätte zur Vorsicht warnen müssen. In der Einleitung und vor allem im "Olympia"-Akt hätte der Rotstift sicherlich nicht geschadet. Und muss im "Antonia"-Akt auch noch ein Sarg mit zwei Trägern den beengten Bühnenplatz füllen? In der abschließenden Rahmenhandlung stehen sogar zwei Hoffmanns auf der Bühne - ein wirklicher, der hastig auf seiner Reiseschreibmaschine tippt, und ein fiktiver, der ziellos herumirrt. Immerhin, die Schluss-Szene mit dem statischen Chor auf der bewegten Drehbühne ist eine gute Idee für sich. Wie die Regie überhaupt in Details mit Fingerspitzengefühl vorgeht. Dass man französisch sang (mit Übertiteln) war zudem eindeutig ein Gewinn.

Und dennoch: Die Überfülle von (an sich einfallsreichen) Einzelheiten trägt nicht bei zur Klärung der Handlung. Das Gegenteil tritt ein: Auf der Bühne spielt sich eine Summe von Episoden ab, oft operettenhaft komisch, aber meist ohne einen roten Faden.

Wie gut, dass Stimmqualität und Bühnenpräsenz der Akteure stimmen. Hugo Mallet ließ in der Pause zwar verkünden, dass er plötzlich indisponiert sei, bot aber trotzdem einen Hoffmann von Format: ein sicher geführter Tenor mit einer hellen, sehr französischen Klangästhetik. Fritz Spengler lieferte in seiner Dreifach-Rolle (Muse, Nikolaus, Antonias Mutter) wieder einmal eine Glanzpartie. László Lukács, der völlig zu Unrecht ausgebuht wurde und sich dafür etwas unfein bedankte, erwies sich sogar in vier Rollen (Lindorf, Coppelius, Doktor Mirakel, Dappertutto) als absolut sattelfest. Und Bonko Karadjov, gleichfalls in vier Rollen präsent (Nathanael, Spalanzani, Frantz, Pitichinaccio), gab dem Diener Frantz Prägnanz und Leichtigkeit zugleich mit (weitere Akteure: Pawel Czekala, Germán Enrique Alcántara und Svetislav Stojanovic).

Auch die Besetzung der weiblichen Hauptfiguren stimmte. Frauke Burg gab der Olympia gezielt seelenlosen Koloraturglanz mit. Bernadette Flaitz (Giulietta) gelingt es schließlich, ihrer prachtvoll schweren Stimme Offenbachsche Eleganz mitzugeben. Und Eva Maria Amann sang sich zunächst verhalten, dann immer intensiver in die verzweifelte Todesnähe der Antonia hinein.

Der Schluss des "Antonia"-Aktes entwickelte sich zum Höhepunkt der Premiere. Trotz aller szenischen Probleme: Die beiden Terzette (Hoffmann, Mirakel, Crespel und Mirakel, Antonia, Antonias Mutter) entfalteten ganz die emotionale Gewalt einer französischen "Grand Opéra". Victor Puhl dirigierte mit größter Emotionsstärke. Und das Philharmonische Orchester modellierte das Klangprofil dieser Oper mit enormer Prägnanz heraus. Ja, ganz gewiss und trotz aller Schwierigkeiten, die letztlich auf Offenbachs frühen Tod zurückgehen: der Trierer "Hoffmann" ist wunderbare, große Oper.

Weitere Vorstellungen am 21. Oktober, sowie am 3., 11. und 26. November.Extra

Das Stück

(red) Jacques Offenbachs Oper "Les Contes d'Hoffmann" ("Hoffmanns Erzählungen") in der Inszenierung von Thilo Rheinhardt eröffnet die Opernspielzeit am Theater Trier: Der gealterte Dichter E.T.A. Hoffmann erzählt seinen Freunden, lauter Studenten, von drei Liebesabenteuern, bei denen er aber jedes Mal fast Opfer einer diabolischen Gestalt geworden wäre. Offenbach, der vor den "Erzählungen" eher als Operettenkomponist bekannt war, hat die Erstaufführung eines seiner wichtigsten Werke nicht mehr erlebt.

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