Theater Trier: "Schön, dass ihr mich so vergöttert" - Sibelius zeigt sich selbstironisch und verletzt

Trier · Als Gang nach Canossa hat Karl Sibelius seine vorerst letzte Vorstellung von "Alles bleibt anders" bezeichnet. Selbstironisch ist der Intendant auf aktuelle Turbulenzen eingegangen. Bis 2020 will er bleiben. Wenn die Kraft reicht.

 Foto: Ruppert Rieger

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Trier. Am Ende steht Adam Schaf - oder ist es Karl Sibelius? - fast nackt auf der Bühne. Entblößt hat er zuvor auch sein Seelenleben - tiefe Schmerzen, persönlichste Sehnsüchte. Voller Selbstironie, humorvoller Seitenhiebe auf das Trierer Theatergeschehen, provokant homoerotisch und dabei entwaffnend ehrlich. Würde jemand anders diesen Spagat wagen, wäre die Gefahr groß, dass das Publikum sich fremdschämend vor Unbehagen windet. Sibelius jedoch gewinnt - trotz aller Kritik, die ihm derzeit entgegenschlägt - im Nu die Sympathie der Zuschauer.30 ausverkaufte Vorstellungen


Ein 30. und für diese Saison letztes Mal hat der umstrittene Intendant und begnadete Schauspieler im ausverkauften Kasino am Kornmarkt sein Ein-Mann-Musical "Alles bleibt anders" aufgeführt. Sibelius spielt darin Adam Schaf, einen alternden, verbitterten Schauspieler, der über seinen neuen Intendanten Karl Sibelius lästert.
Aktuelle Bezüge gibt es reichlich. So sagt Schaf, seine Handtücher habe er vom Klo gestohlen. "Wir haben ja Haushaltssperre." Seine Krampfadern werde er sich entfernen lassen, solange er noch mehr verdiene als der Oberbürgermeister (was Sibelius offenbar - noch - tut). Als er nach Trier gekommen sei, sei es bergab gegangen - also landschaftlich. Den Intendanten bezeichnet Schaf als Selbstdarsteller, und er sagt: "Es ist einfach schön, dass Ihr mich so vergöttert". Das Publikum lacht.

Adam Schaf wirft auch die Frage auf, wie lang Sibelius wohl noch bleibt, nun, da der OB ihm die finanzielle Verantwortung für das Theater entziehen will. Schaf stellt sie der ehemaligen Trierer Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani, die im Publikum sitzt, und antwortet selbst: Zwei Monate gebe er Sibelius noch. Dann habe Trier seine Ruhe. Und wieder fragt sich das Publikum, wer da spricht - Schaf oder Sibelius? - und ob es wahr ist.
Der Intendant bringt nach brandendem Applaus Licht ins Dunkel. Denn wie immer stellt er sich nach der Vorstellung den Fragen des Publikums. Kaes-Torchiani fragt ihn schließlich, was alle wissen wollen: "Wie lange bleiben Sie denn noch?"

"Ich weiß es wirklich nicht", antwortet Sibelius ernst, diesmal ganz er selbst. Das sei eine Frage der Energie. Aus der Presse musste er von seiner geplanten Entmachtung erfahren. Dieses Vorgehen der Stadt kritisiert der Österreicher heftig. Er habe seitdem jeden Tag geweint und jeden Tag gedacht "jetzt schmeiße ich das Handtuch", doch jeden Morgen, wenn er ins Theater gehe, müsse er lächeln. "Wie haben eine tolle Mannschaft, die tolle Arbeit leistet." Die schwierige Situation habe zusammengeschweißt. Das gebe ihm viel Kraft.
Außerdem weiß er: "Wenn ich jetzt aufgebe, kriege ich nie wieder einen Job am Theater." Seine Kinder gehen hier zur Schule. Und er glaube daran, dass in Trier noch "ein Theaterwunder" möglich sei. "Ich möchte schon sehr gerne bis 2020 bleiben", sagt er, und das Publikum applaudiert.Er bittet um Zeit


Erst neun Monate sei er mit seinem Team in Trier. Von Anfang an habe er gesagt, dass er für Veränderungen drei Jahre brauche. Vom Jahr 2015, das mit einem Minus von 1,3 Millionen endete, verantworte er nur vier Monate. Er habe nicht mehr ausgegeben. Es sei einfach weniger Geld da. Man möge ihm doch Zeit geben.
Neuer Applaus zeigt, dass dieses Publikum dazu bereit ist. Das mag Sibelius neue Kraft geben. Darüber, wie sein Job in Zukunft aussieht, entscheidet Mitte Juli allerdings der Stadtrat.

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