Theater „Man muss die Zeit nutzen“
Trier · Der Höhenflug beim Trierer Theater hat durch die coronabedingte Schließung einen Dämpfer erfahren. Dennoch fällt die Bilanz der Spielzeit 2019/20 positiv aus. Und wenn der Vorhang sich wieder öffnen darf, dann habe er „zehn Stücke in der Pipeline, die wir sofort spielen können“, verspricht Intendant Manfred Langner.
Bis zum 13. März hatte das Theater Trier eine glänzende Spielzeit-Zwischenbilanz. Intendant Manfred Langner rechnete damit, die Zahl von 115 000 Zuschauern aus der letzten Spielzeit zu knacken. Doch dann kam die Schließung wegen Corona. Die jetzt vorgelegte Bilanz von knapp 82 000 Besuchern nennt der Intendant angesichts der dreimonatigen Schließung des Theaters immer noch „solide und gut“. Wenn gespielt werden durfte, lag die Auslastung insgesamt bei knapp 90 Prozent.
Der größte Renner – nach Zuschauerzahlen betrachtet – war wie immer das sogenannte Weihnachtsmärchen „Aladin und die Wunderlampe“, das mehr als 20 000 Besucher hatte. Riesige Resonanz gab’s auch beim Schauspiel „Rain Man“ nach dem gleichnamigen Hollywood-Klassiker. Das Stück sahen mehr als 7000 Menschen im Großen Haus des Theaters. Ebenso erwies sich die von Manfred Langner selbst inszenierte Revue „Ein Tanz auf dem Vulkan – Trier und die Zwanziger Jahre“ mit knapp 5400 Besuchern als großer Erfolg. Die Oper „La Bohème“ und die Tanz-Produktionen „Carmen / Bolero“ besuchten jeweils mehr als 4000 Theaterfreunde. Blickt man auf die Auslastung der Plätze, kamen auch die Stücke „Marlene“ in der Europäischen Kunstakademie und „Amore Amore Amore“ im Kasino mit rund 98 Prozent sehr gut an. Angesichts der Raumkapazitäten an den Spielorten jenseits des Großen Hauses können diese kleineren Produktionen jedoch keine Massen anziehen. Zudem wurden die Stücke teilweise nur selten gespielt, weil der Lockdown durch Corona den Theaterbetrieb stoppte. So konnte die Mozart-Oper „Die Hochzeit des Figaro“ nur fünf statt wie geplant acht Mal gezeigt werden, das Musical „Oliver“ nur drei von geplanten zehn Malen. Langner will deshalb auch zahlreiche Produktionen wiederaufnehmen, die sein Ensemble fertig geprobt hat.
Überhaupt ist es die Idee des Intendanten, die Zeit der Schließung noch stärker als ursprünglich vorgesehen für Proben zu nutzen, damit anschließend, wenn das Haus wieder öffnet, mehr Kapazitäten für Vorstellungen vorhanden sind. Langner erinnert an Shakespeare, der drei seiner größten Stücke ausgerechnet in der Zeit der Pestepidemie in London geschrieben hat. „Man muss die Zeit nutzen“, ist der Intendant überzeugt.
Wer von den Beschäftigten gerade nicht in einer Probe steckt, geht in Kurzarbeit. Nach Auskunft von Christoph Traxel, Pressesprecher des Theaters, sind aktuell etwa 50 Prozent aller Beschäftigten in Kurzarbeit. „Die Prozentsätze“, schreibt Traxel, „sind ganz unterschiedlich, je nach Bereich. So arbeiten Ankleider*innen momentan beispielsweise gar nicht, oder die Damen und Herren vom Einlasspersonal, da keine Vorstellungen stattfinden. Schauspieler*innen, die in ,Alice im Wunderland’ besetzt sind, wurden nach der Generalprobe auf 20 Prozent Arbeitszeit zurückgestuft.“ Wer aber in den laufenden Proben steckt wie zum Beispiel in „Kabale und Liebe“, arbeitet weiterhin zu 100 Prozent. Und das bis zur Generalprobe. Genauso verhält es sich laut Traxel mit den anderen Abteilungen. Die Bühnentechnik arbeitet zum Beispiel 70 Prozent, die Maske 90 Prozent. Der Umfang der Kurzarbeit ändere sich ständig und werde flexibel an den tatsächlichen Arbeitsbedarf im Theater angepasst.
Derzeit arbeitet das Theater an der Wiedereröffnung des Hauses. „Wenn es losgeht, haben wir zehn Stücke in der Pipeline, die wir spielen können“, so Langner. Allerdings ist jetzt schon klar, dass der Spielplan 2020/21 noch einmal deutlich modifiziert werden muss, um das in der vergangenen Woche geänderte Hygienekonzept umzusetzen und den Folgen der Schließung Rechnung zu tragen.
So sehen die Änderungen des Spielplans aus:
Oper
„Die Hochzeit des Figaro“ wird in die nächste Spielzeit verschoben. Die Produktion ist laut Langner unter anderem wegen des Chores zu groß, um sie unter Corona-Bedingungen zu inszenieren.
„Der Rosenkavalier“: Auch diese Oper kommt erst in der nächsten Spielzeit. Allerdings könnte es wegen der Kooperation mit dem Theater Avignon (Frankreich) sein, dass es eine Streaming-Variante schon in dieser Spielzeit gibt. Apropos Streaming: Ein gestreamtes Stück des Theaters Trier soll es jedenfalls nicht geben. „Fürs Theater ist das Live-Erlebnis wesentlich“, ist der Intendant überzeugt.
Die Operette „Die lustige Witwe“ kommt in dieser Spielzeit auf die Bühne, sie hätte an diesem Wochenende Premiere gehabt.
„Reigen“ soll wie geplant im Mai aufgeführt werden, wenn die Pandemie nicht mehr allzu lange währt.
„Gold“: Das Musiktheaterstück für die ganze Familie wird derzeit geprobt, laut Langner kommt es wie geplant auf die Bühne. Denn: „Man kann es gut unter Pandemie-Bedingungen spielen.“
Neu im Programm des Musiktheaters: die Rossini-Oper „Der Barbier von Sevilla“. Die Produktion ist laut Langner unter Pandemie-Bedingungen gut zu realisieren.
Tanz
Das Ballett „Winterreise“ von Roberto Scafati soll wiederaufgenommen werden. „Es ist einer unserer Renner“, sagt Langner. Das Stück sei sehr stark nachgefragt.
Gerade proben die Tänzer „Zeitrausch“. Es soll im Januar auf die Bühne kommen.
„Rituale“ wird noch mal verschoben, obwohl es bereits premierenreif geprobt war . „Das Stück ist so körperlich und so intensiv, da kann man keine Abstände einhalten“, erklärt Langner.
Schauspiel
„Gott“ und „Auf und davon“ wurden bisher stark nachgefragt und sollen weiter gespielt werden, ebenso „Orlando“, „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ und das Jugendstück „Malala. Ein starkes Mädchen“, letzteres auch in und für Schulen. Die Schauspieler proben zudem gerade den Schiller-Klassiker „Kabale und Liebe“, der dem Publikum „baldmöglichst“ auf der Bühne präsentiert werden soll.
Drei Schauspiele wurden verschoben: „Buntes Republik“, „Die 39 Stufen“ und „Intra muros“, ebenso für Kinder und Jugendliche „Le petit prince“. Dafür bleiben „Fracking for future“, „Extrawurst“ und „... und im Aug’ die falsche Träne“, letzteres eine Uraufführung von Rainer Nolden. Das verschobene Stück „Extrawurst“ könnte draußen aufgeführt werden.
Neu im Programm sind noch zwei Schauspiele: „Zweifel“, ein packendes Stück um Kindesmissbrauch, sowie „Empfänger unbekannt“, eine szenische Lesung in Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde, die eigentlich ein Beitrag zum 9. November hätte sein sollen.
Und natürlich last but noch least „Alice im Wunderland“, das Weihnachtsmärchen, das traditionell ein Besuchermagnet wird wie kein anderes Bühnenstück. Damit wird es sicherlich losgehen, sobald die Theater öffnen dürfen.