Tiefgründig und unterhaltsam

Trier · Gelungene Mischung von Nachdenklichem und Unterhaltung: Im Kasino am Kornmarkt in Trier zeigte das Frosch-Theater die Uraufführung der Revue "Déjà-vu".

 Varietékünstler vor dem Glitzervorhang: Felix Birnbaum als Jomi und Irina Hambach als Nadine Woog. TV-Foto: Michael Thielen

Varietékünstler vor dem Glitzervorhang: Felix Birnbaum als Jomi und Irina Hambach als Nadine Woog. TV-Foto: Michael Thielen

Foto: (g_kultur

Trier "Nicht der Stärkste überlebt, nicht einmal der Intelligenteste, sondern derjenige, der sich am schnellsten einem Wechsel anpasst." Diesen Satz von Charles Messier hat Autor und Regisseur Karsten Müller seinem neuen Stück vorangestellt. Der Schauplatz, an dem er das Geschehen sich entfalten lässt, ist das Kasino in Trier, ehemals Treffpunkt der höheren Trierer Gesellschaftsschichten. In diesem Ambiente mit Kronleuchtern und schweren roten Gardinen treffen sich die Akteure des Stückes zwischen 1913 bis 1923 immer mal wieder.
Müller hat geschickt die Varieté-Atmosphäre des Ortes genutzt und lässt die Schauspieler raumgreifend agieren, sei es an der Theke oder einem der runden Tische oder mitten im Publikum (Choreographie: Monika Wender). Das Ensemble des Frosch-Theaters - überwiegend aus der freien Theaterszene stammend - liefert vor nahezu ausverkauftem Haus eine bemerkenswerte Schilderung der Lebensgeschichte und Verhaltensweisen der Figuren in der Zeit um den Ersten Weltkrieg.
Da ist Anna von Bohlen (Monika Wender) aus einem Adelsgeschlecht aus Westfalen. Ein intellektuell-kritischer Geist, eine enthusiastische Kunstliebhaberin. Sie wird von einer passiven Kasinobesucherin als Künstlerin auf die Bühne wechseln. Faszinierend, wenn Wender einen Text des Dadaisten Kurt Schwitters über das Wesen des Rhythmus' vorträgt oder in Netzstrümpfen, mit Hut und Stock ganz in Schwarz auf einer nahezu leeren Bühne steppt (Kostüme: Stephan Vanecek).
Anna fühlt sich zu der gefeierten Sängerin Irina Hambach hingezogen, verkörpert von Nadine Woog. Köstlich ihre Interpretation des zweideutigen Otto-Reuter-Couplets "Der Überzieher", begleitet von Klauspeter Bungert am Klavier, der das Geschehen meisterhaft begleitet. Die dritte Frau im Bunde, Betty Weiler (Mara Heller), träumt davon, Sängerin zu werden, und kehrt später erfolgreich nach Trier zurück. Außergewöhnlich Hellers emotionale Darbietung von Brechts Text "Choral vom großen Baal" oder die Enttäuschung bei ihrem späteren Zusammentreffen mit Albert Fandel (Sebastian Gasper), von dem sie sich eine gemeinsame Zukunft versprochen hat. Gaspers gibt gekonnt einen zwielichtigen Leutnant, der sich am ehesten mit der neuen politischen Lage arrangiert zu haben scheint und mit den aufkommenden Nazis sympathisiert. Karl Weiler, Bettys ehemals vermögender Vater, überzeugend gespielt von Johannes Metzdorf, muss den einschneidendsten sozialen Abstieg und eine große Enttäuschung verkraften: Anna, mit der er eine Beziehung will, ist eng mit Irina verbunden. Fast alle Personen haben sich durch die politischen Ereignisse verändert und sind mehr oder weniger gut durch die Zeit gekommen.
Zusammengehalten wird dieses intensive Zusammenspiel der Figuren vom Ausnahmepantomimen Jomi. Er stellt Felix Birnbaum dar, einen jüdischen Künstler und kritischen Geist. Jomi kommentiert kongenial die Bühnenhandlung mit berührenden Szenen. So entdeckt er, dass Anna eine verwandte Seele ist, und überreicht ihr eine Rose, um ihr schlummerndes Künstlertalent zu wecken. Am Schluss gab es viel Beifall für ein kurzweiliges Stück, das Revueatmosphäre und Zeitkritisches gekonnt miteinander verbindet.
Weitere Aufführungstermine: 17. und 28. September, 19 und 26. Oktober im Kasino am Kornmarkt in Trier sowie am 15. September in der Tuchfabrik, Trier.

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